Wer räumt den Krieg auf?

Während des Ersten Weltkriegs arbeiten nach der verlustreichen Schlacht an der Somme im Jahr 1916 140.000 Chinesen für die Briten und Franzosen. China setzt die chinesischen Arbeiter als Pfand ein, um bei den Friedensverhandlungen in Versaille – im Siegesfall der Alliierten – ihre Provinz Shandong wieder zurückzuerhalten. Die chinesischen Arbeiter bleiben teilweise bis 1922 in Frankreich und „räumen den Krieg auf“. In der österreichischen Zeitschrift „Wespennest“ erscheint nun ein erster Text zu diesem Thema.

Hongkong – und nun?

„Vom Aufprall auf dem Boden der Realpolitik hat sich Hongkongs Gesellschaft bis heute nicht wirklich erholt. Die Regenbogen-Bewegung ist kein Thema mehr für die Bevölkerung, doch immerhin werden Unregelmässigkeiten bei Wahlen aufmerksamer verfolgt als auch schon. Die Menschen sind verunsichert. Als ich darüber mit der Mitarbeiterin eines kleinen Verlags spreche, überlegt sie lange, bevor sie sich quasi selbst befragt: Was darf man tun, was sagen, wo ist die rote Linie? Welche Auswirkungen hat vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt mein Tun, und sind davon auch meine Kinder betroffen?“
Rote Linien überall, von der chinesischen Regierung in Beijing willkürlich gezogen. Man sieht sie erst, wenn das Überschreiten Folgen hat. Nachzulesen sind diese Überlegungen in „Wer weiss denn schon, wo genau die roten Linien verlaufen – in Hongkongs Kulturszene herrscht Verunsicherung“, NZZ vom 3.5.2019.

Kambodscha …

… zerrieben, aufgerieben …

„Wovon man nicht reden kann, darüber muß man schweigen“, schrieb Ludwig Wittgenstein im letzten Abschnitt des Tractatus. Hätte ich also besser über das geschwiegen, was mir beim Besuch des Gefängnisses Tuol Sleng und der Killing Fields Cheung Ek außerhalb von Phnom Pen durch den Kopf ging? Als ich mir vorstellte, dass hier in einem einstigen Gymnasium ein Mädchen zuerst gefoltert und später ermordert wurde? Eines von ca. 14.000 Menschen? Etwa zur selben Zeit ging ich auf Partys, trug dieselben Schlaghosen wie sie, hörte vielleicht sogar dieselbe Musik? Wer war sie?

Offline nachzulesen in der Mai-Ausgabe 2019 des Schweizer Monat.

tanzen & schreiben

Der einen kommen die Schreibideen auf dem Hometrainer, beim Paddeln mit dem Kajak – zum Beispiel mir -, einem anderen unter der Dusche. Als Maike Frie mir zum alljährlichen Blogwichteln der Textinen ein Interview mit Katarina Pollner vorschlug, die Tanzen mit Schreiben kombiniert, dachte ich, ja, warum eigentlich nicht? Und war neugierig.

© Ruth Frobeen
Katarina Pollner, Foto: Ruth Frobeen

Wie passen Tanzen und Schreiben zusammen? Viele stellen sich Schreibende vermutlich im Dachkämmerlein oder am Cafétisch vor – auf jeden Fall sitzend, allein und vielleicht auch beengt. Sind das Klischees, mit denen du aufräumen kannst?

Wenn wir schreiben, schreibt immer auch unser Körper. Unsere Haltung, die übergeschlagenen Beine, der vorgestreckte Kopf, die verkrampfte Hand, wenn wir mit dem Stift schreiben – all das hat eine Wirkung auf unsere Gedanken, auf das Wie und Was wir schreiben. Der physische Akt des Schreibens und die Medien, die wir verwenden (zum Beispiel den Computer oder Stift und Papier) haben Einfluss auf den Text, der entsteht.

Sich körperlich zu bewegen, kann einen stockenden Schreibfluss in Schwung bringen, und sei es, dass wir eine Runde um den Block gehen oder uns ausschütteln.

Als Schreibtrainerin und Schreibende befasse ich mich damit, wie wir leichter Zugang zu Inspiration und Kreativität finden können. Im Zentrum steht die Frage, wie wir das überwinden können, was uns daran hindert, frei und furchtlos zu schreiben: in erster Linie unsere Zweifel und einschränkende Vorstellungen davon, wie wir schreiben sollten. Am besten gelingt das im Flow, einem Zustand, in dem wir eins sind mit dem, was wir tun, und das Gefühl für Zeit und Raum verlieren. Wer einmal Flow erfahren hat, weiß, was ich meine. Sowohl beim Tanzen als auch beim Schreiben kann sich Flow einstellen, wenn ich mich einlasse und loslasse.

Ich schreibe nicht nur beharrlich und leidenschaftlich, ich tanze auch sehr gerne. Beim Tanzen nehme ich mich intensiv wahr. Ich spüre nicht nur meinen Körper, sondern auch „mich“, was auch immer das sein mag – meinen Kern, meine Seele, mein Bewusstsein. Ich akzeptiere, wer ich jetzt in diesem Moment bin. Zur Bewegung kommt die Musik hinzu, die Emotionen weckt. Selbstwahrnehmung, Fokussierung und die Durchlässigkeit für Gefühle, Ideen, Imagination und Kreativität das bildet für mich die Brücke zwischen Tanzen und Schreiben.

Wie bist du auf die Idee gekommen, Tanzen und Schreiben zu kombinieren? Seit wann bietest du solche Kurse an?

Seit einigen Jahren bin ich Trainerin für ENERGY DANCE®. Mit dieser Methode kann ich Menschen ohne Choreografie und Schritte-Üben direkt ins Tanzen führen. Ich erkannte, dass dies eine großartige Möglichkeit ist, die Verbindung von Tanzen und Schreiben all denen zu öffnen, die wenig bis keine tänzerische Erfahrung haben. Um im Flow tanzen zu können, sich Impulsen zu öffnen, muss man in der Bewegung aufgehen. Das gelingt nur, wenn man nicht (mehr) zählt, sich nicht panisch eine Choreografie in Erinnerung ruft oder das Gefühl hat, an komplizierten Schrittfolgen zu scheitern. Bei choreografischen Methoden ist das erst der Fall, wenn man ein recht hohes Level erreicht oder sehr viel geübt hat. Auch freie Tanzimprovisation kann anspruchsvoll sein – man muss erst lernen, sich Impulsen zu öffnen. Mit ENERGY DANCE® kann ich Menschen direkt in Bewegung führen. Sie folgen einfach meinem Bewegungsfluss, ohne darüber nachzudenken oder verstehen zu müssen, was sie tun. Das Motto ist „Raus aus dem Kopf, rein in den Körper“ und das funktioniert von Anfang an.

Dies bot mir die Chance, Tanzen und Schreiben als Methode allen Menschen zu öffnen, unabhängig von Tanz- oder Schreibvorerfahrungen. Ich entwickelte ein Konzept und biete seit einiger Zeit erste Workshops an.

Gibt es bestimmte (Schreib-)Übungen, die sich für dieses Format besonders eignen?

Am naheliegendsten ist es, abwechselnd zu schreiben und zu tanzen. Die Bewegung des Körpers geht in den Fluss der Wörter über und umgekehrt. Ich arbeite oft mit Free Writing, also damit, mit oder ohne einen Impuls möglichst unzensiert und spontan zu schreiben, was kommt. Mit den entstandenen Texten kann man weiterarbeiten: einzelne Sätze und Bilder können der Kern eines neuen Textes werden. Man kann die Musik und die Bewegung auch mit unterschiedlichen Schreibanreizen kombinieren, von Bildern über zu verwendende Begriffe bis hin zu Gerüchen und Farben. Themen, Figuren und Stimmungen können vom Schreiben in den Tanz mitgenommen und dort weiterentwickelt werden. Ich habe auch schon mit Bildern, Zeichnungen oder Gruppen-Assoziationsnetzen experimentiert. Texte können im Tanz ausgetauscht und von anderen weitergeschrieben oder beantwortet werden.

Was macht die Bewegung mit den Schreibenden? Was für Rückmeldungen bekommst du? Welche (Schreib-)Prozesse stößt das an?

Die Bewegung lässt die Gedanken und Impulse fließen. Es können unerwartete Ideen aufkommen. Durch den Wechsel von Schreiben und Tanzen kommt es seltener zu Blockaden. Wir ändern unserer Haltung, geben unserem Hirn neue Aufgaben und Eindrücke, so kann die Kreativität sich entfalten. Die Text sind oft, und das ermuntere ich ausdrücklich, überraschend, bildhaft und dicht. Es sind meist Entwürfe, an denen man später weiterarbeiten kann. Ich habe aber auch schon erlebt, dass „aus dem Nichts“ fertige, runde Szenen entstanden.

Wer sind typische Teilnehmer*innen von „Tanzen und Schreiben“? Wer sollte sich noch auf den Weg machen, das für sich zu entdecken?

Bislang kamen die Teilnehmer*innen zumeist vom Schreiben. Ich habe aber auch einen Wochenendkurs unterrichtet, in dem die meisten Teilnehmer*innen erfahren in der Tanzimprovisation waren. Sie konnten sich beim Tanzen schnell von meinen Impulsen lösen und in einen eigenen Bewegungsfluss eintauchen. Das ist bei meiner Methode jederzeit möglich, sodass mehr oder weniger Tanzerfahrene auch in derselben Gruppe arbeiten können.

Tanzen und Schreiben ist daher geeignet für alle, die sich auf einen kreativen Prozess einlassen wollen, bei dem sie nicht vorher genau wissen, was entstehen wird. Bewegung, Musik und Schreiben wecken Bilder, Erinnerungen und Assoziationen. Emotionen werden angesprochen. Man kann plötzlich von Traurigkeit erfüllt sein, düstere Text können entstehen, aber auch fröhliche, alberne und skurrile. In den Workshops stellt sich schnell eine dichte Atmosphäre ein und eine starke Fokussierung auf den kreativen Fluss. Es ist gut, wenn die Teilnehmer*innen offen sind für unerwartete Ideen.

Was planst du in der Zukunft? Wo und wann könnte ich – oder können andere Interessierte – einen Kurs besuchen?

Bislang habe ich eher sporadisch Workshops gegeben – bei Netzwerktreffen oder an einer Schule für Tanz, Clownerie und Schauspiel. Ich plane, in Berlin regelmäßig offene Schnupperabende anzubieten, um die Methode bekannter zu machen und Menschen die Möglichkeit zu bieten, sie kennenzulernen und zu erfahren. Perspektivisch möchte ich mehrmals im Jahr Wochenendworkshops anbieten und suche dafür noch die passenden Orte und Kooperationspartner*innen. Ich bin offen für Einladungen.

Du schreibst selbst. Magst du uns kurz sagen, was für Texte – und nutzt du Bewegung auch für dein eigenes Schreiben?

Ich schreibe seit Langem und stetig Prosatexte. Neben Romanen und Erzählungen zählen dazu kurze und kürzeste Texte unter anderem für mein Blog „Das Bodenlosz-Archiv“. Letztes Jahr habe ich einen Band mit Märchenumschreibungen herausgebracht. Ein gemeinsamen Nenner meiner Texte könnte das Spiel mit Erwartungen und Perspektiven sein. Ich schreibe realistische Texte mit skurrilen oder surrealen Einschlüssen oder umgekehrt Märchen, die ins Realistische, Satirische oder Psychologische abschweifen. Ich bewege mich oft auf dem Grat zwischen Ernsthaftigkeit und Humor oder Realismus und Phantastik. Offensichtlich liebe ich es, auf der Grenze zwischen mehreren Welten zu wandern.

Ich nehme meine Texte mit ins Tanzen, nicht immer geplant. Meine Figuren, meine Ideen, Probleme, an denen ich festhänge – ich habe sie beim Tanzen dabei und bewege sie. Und oft löst sich dabei der Knoten und eine Eingebung stellt sich ein.

98 Genres erklärt

Die Schreibtrainerin und Autorin Anette Huesmann im Gespräch mit Alice Grünfelder

Kann man das? Sämtliche Buchgenres, die sich im Laufe der letzten Jahrhunderte entwickelten, auflisten mit Charakterisierungen, Beispielen und Literaturhinweisen? Auch wenn sich in manchen Büchern und auch Top-Sellern die Genres überschneiden, was Verlage wenig und Buchhändlerinnen noch weniger goutieren – welcher Code, in welches Regal nur? – ist es vielleicht gerade ein Genre-Mix, der spannend sein kann. Jedenfalls habe ich das so erfahren bei meinem Wüsten-Reise-Abenteuer-Frauenroman „Die Wüstengängerin“. Was hat nun die Schreibtrainerin Anette Huesmann bewogen, Klarheit in die Vielzahl der Genres zu bringen?

Was war der Auslöser für dieses Buch?

Ich gebe seit etlichen Jahren Workshops zum kreativen Schreiben. Von den TeilnehmerInnen meiner Kurse werde ich oft nach Buchgenres gefragt. Besonders bei den Subgenres sind sich viele nicht darüber im Klaren, welche Subgenres es eigentlich gibt, was genau man darunter versteht bzw. was die Genre-Konventionen sind? Vor einigen Jahren habe ich dann angefangen, die Buchgenres, die ich kannte, zu sammeln, die Genre-Konventionen zu formulieren und auf meinem Blog zu veröffentlichen. Im Laufe der Zeit wurde die Liste immer länger, und vor einem Jahr habe ich dann beschlossen, daraus ein Buch zu machen. Denn auf meinem Blog kann ich nur die wichtigsten Genres benennen und in Stichworten beschreiben. In meinem Buch sind viel mehr Subgenres benannt und im Detail erläutert.

Wie ist es entstanden, wie bist du vorgegangen?

Am Anfang habe ich die Arbeit total unterschätzt. Zu Beginn dachte ich, es gibt vielleicht 30 der 40 Genres oder Subgenres. Doch im Laufe der Zeit wurden es immer mehr. Denn natürlich habe ich auf einmal Literaturzeitschriften, Rezensionen und Berichterstattungen über Buchmessen mit ganz anderen Augen gelesen. Und plötzlich tauchten immer wieder neue Subgenres auf, von denen ich noch nie gehört hatte! Schließlich war meine Neugierde geweckt, und ich begann zu recherchieren.

Außerdem war mir schnell klar, dass ich gern die Entstehung der Genres beschreiben möchte – soweit diese bekannt ist. Das hat mich zusätzlich viel Arbeit gekostet. Bei vielen Subgenres musste ich erst mühsam herausfinden, wann die ersten Bücher aufgetaucht sind und was die Geschichten charakterisiert hat.

Am Ende war ich selber überrascht, wie viele Genres und Subgenres es gibt. Bei eher unbekannten Begriffen musste ich immer neu entscheiden: Mache ich daraus einen eigenen Eintrag, ist es ein Synonym eines bereits bekannten Genres oder wird die Bezeichnung nur ein einziges Mal von einem einzelnen Menschen verwendet? Meist habe ich zu Beginn gegoogelt und in germanistischen Fachbüchern nachgeschlagen. Wenn ich gemerkt habe, dass eine Bezeichnung praktisch nirgendwo auftaucht, weder im Internet noch in Nachschlagewerken, habe ich neu überdacht, ob ich die Bezeichnung wirklich mit reinnehme. Meist habe ich neue Begriffe nur mitgenommen, wenn sie in verschiedenen Medien auftauchen und von mehreren Menschen benutzt werden.

Wie hast Du die vielen Literaturhinweise recherchiert?

Da bin ich durch sämtliche Internetseiten gesurft, auf denen Beschreibungen von Büchern zu finden sind: Amazon, Goodreads, Google Books, Projekt Gutenberg usw. Bei manchen, seltenen Subgenres war es tatsächlich sehr mühsam, zwei Lektüretipps zu finden. Aber da war ich dann einfach hartnäckig und habe nicht aufgegeben, bis ich was Passendes gefunden hatte.

Ein paar Bücher tauchen als Beispiel gleich bei mehreren Genres auf, warum?

Neue Subgenres entstehen oft, weil ein Buch erscheint, das ganz klar einem Genre zugehört, aber ganz neue charakteristische Inhalte hat. Das können außergewöhnliche Ideen sein oder außergewöhnliche Themen, Wendungen, Schauplätze oder Charaktere. Diese Bücher sind gleichermaßen genretypisch und einzigartig. Dann kommen Bücher anderer AutorInnen hinzu, die das Neue auf eine ähnliche Weise aufgreifen. So entwickelt sich im Laufe der Zeit ein neues Subgenre, weil immer mehr Bücher mit dieser neuen Charakteristik entstehen. Das erste Buch, das den Trend gesetzt hat, ist ein wichtiger Meilenstein – sowohl für das übergeordnete Genre als auch für das neue Subgenre, das daraus entstanden ist. Deshalb war es mir wichtig, dieses Buch sowohl als Beispiel beim übergeordneten Genre als auch beim Subgenre zu nennen.

Du bist ja auch Schreibtrainerin – was empfiehlst Du Autoren in puncto Genre, sichtest Du das Material und sagst dann, halten Sie sich an z.B. die Struktur eines Entwicklungsromans? Oder empfiehlst Du Regional-Krimis, weil Verlage momentan danach suchen? Wie hältst du es mit Genre-Mix?

Meine wichtigste Empfehlung: Schreib das Buch, das dich selber begeistert. Ganz egal, ob es einem bestimmten Genre oder Subgenre zugeordnet werden kann oder nicht. Aber ich sage dann auch offen, dass Bücher, die sich nicht klar zuordnen lassen, schwerer zu vermarkten sind. Egal, ob man dafür einen Verlag sucht oder im Selfpublishing LeserInnen direkt ansprechen möchte. Oft stellt sich heraus, dass es nur kleine Veränderungen braucht, damit das Herzens-projekt die Genre-Konventionen eines bestimmten Genres berücksichtigt. Wenn man sich bzw. seine Geschichte dadurch nicht verbiegt und es immer noch das Herzensprojekt bleibt, lohnt sich die kleine Anpassung – weil sich das fertige Buch leichter vermarkten lässt. Aber wenn jemand für eine Geschichte brennt, genau so, wie sie ist, und diese Geschichte passt in keine Schublade – dann würde ich dazu raten, diese Geschichte genau so zu schreiben. Es lohnt sich nicht, für einen kleinen Marketingvorteil die eigene Geschichte zu verraten. Dann verliert man die Freude daran und damit auch die Chance, dass daraus ein richtig gutes Buch wird.

Du hast das Buch selbst verlegt über BoD, war das von Anfang an so geplant?

Ja, das hatte ich von Anfang an vor. Mir ist es wichtig, dieses Buch aktuell zu halten. Jedes Jahr kommen neue, erstaunliche Bücher heraus und entstehen neue Subgenres. Ich pflege eine Liste mit Begriffen, die bisher noch nicht im Buch drin sind. Fast jede Woche kommen neue Begriffe hinzu. Diese Aktualität ist am ehesten im Selfpublishing möglich. Ich kann in unregelmäßigen Abständen immer wieder neu entscheiden, ob sich jetzt eine Aktualisierung und damit eine Neuauflage lohnt.

Anette Huesmann ist Germanistin und Sprachwissenschaftlerin, schreibt Krimis und Kinderbücher, und als Schreibtrainerin vermittelt sie in Workshops, wie man Bücher schreibt.

Anette Huesmann: Buchgenres kompakt. Handbuch der Genres von Actionthriller bis Zeitgeschehen. Zu beziehen z.B. über Autorenwelt, geniallokal oder die Website von Anette Huesmann: www.die-schreibtrainerin.de.

Hong Kong Street Art


Graffitis entdeckt in schulterbreiten Passagen zwischen Wolkenkratzern, an Fabrikwänden, an LKWs – in Sheung Wan, Central, Sham Shui Po und Wong Chuk Hang. Nie zuvor bemerkt, aber einmal die Augen geöffnet, waren sie überall.

Und wie kein anderer hat der Autor Leung Ping-kwan die Stadt zu dechiffrieren gewusst:

The city is always the colour of neon

Secret messages hidden there

The pity is only, you’re wearing a mask

No way to know if it’s you that’s speaking.

Fruit from many different places

Each with its own tale to tell

In newly dressed shop windows

In your little cafes I bump into

Friends I haven’t seen in years

Between pickles and green tea porridge

A cup of tea has drunk away a lifetime

Have any spare change?

There are plenty of gods on sale in the market

She cherishes the memory of her last life’s rouge

He likes the celadon green of city dust

So sing me a song

On the windling mindnight street

Yesterday and us, we’ve come face to face

But however we try; we can never recall today

(Cityscape, 2003, translated into English by Brian Holton; published in Leung Ping-kwan: Fly Heads and Bird Claws; Hong Kong, MCCM Creations; 2012)

Himmel über Saigon

Die Geflüchteten versammelt acht Erzählungen, angesiedelt in den Siebziger- und Achtzigerjahren. Sie erzählen von Menschen, die in den Monaten und Jahren nach dem Fall von Saigon aus Vietnam geflüchtet sind, erzählen von schmerzlichen Rückblicken und der Unmöglichkeit anzukommen, aber auch von der Begleichung noch offener Rechnungen, die aus der alten Heimat herrühren.

Die Charaktere in den Erzählungen kennt man zum Teil bereits aus Viet Nguyens Roman Der Sympathisant, hier tauchen sie wie auf einer Bühne erneut auf und werden in einem anderen Licht beleuchtet. In der Erzählung „Kriegsjahre“ wird beispielsweise vieles angerissen, was im Roman ausgeführt wurde. In anderen Erzählungen wiederum treten Figuren auf, die in Der Sympathisant an den Rand gedrängt wurden.

Das Thema in „Transplantation“ meint man allerdings anderswo schon gelesen zu haben. Der Empfänger einer Leber findet den Menschen, der ihm das lebensrettende Organ gespendet hat. Im Laufe der Erzählung stellt sich indes heraus, dass es sich um ein Missverständnis handelt, schließlich leben in den USA unzählige Vietnamesen mit Namen Vu, es entsteht eine falsche Dankbarkeit, die wiederum in Erpressung mündet. Die Geschichte und deren Ende bleibt relativ absehbar.

Um eine gescheiterte Ehe geht es in „I’d love you want me“; in „Die Amerikaner“ versinkt ein Vater, der seine Beteiligung im Krieg in Vietnam nie bereut hat, in Selbstmitleid, weil seine Tochter ihn einfach nicht verstehen will. In „Vaterland“ besucht die vermeintlich reiche ältere Schwester die zurückgebliebene erste Familie des Vaters in Vietnam; der vorgegaukelte Reichtum wird spät erst entlarvt, als die jüngere Halbschwester die Ältere bittet, sie mit in die USA zu nehmen. So verflüchtigen sich Illusionen im weiten Himmel über Saigon.

Die Erzählungen lassen sich als Erweiterung des Romans lesen, in diesem Panoptikum erfahren sie allerdings keine Zuspitzung, die Figuren bleiben blass und die Plots skizzenhaft – die kurze Form scheint Viet Than Nguyen weniger zu liegen. Gleichwohl stehen die Texte stellvertretend für die Asian-American Literature – mit der für diese Literatur typischen Beschreibung von Zerrissenheit, einer zum Teil traumatischen Vergangenheit und der beständigen, quälenden Suche nach einer Identität.

Viet Than Nguyen: Die Geflüchteten. Aus dem Amerikanischen von Wolfgang Müller. Blessing-Verlag, 2018.

 

Weitere Artikel über Vietnam:

Vietnam fürs Handgepäck

Endlich ist das Glück

 

 

Lärm? Überhören!

Kann man sich an Lärm gewöhnen? Ich jedenfalls nicht. Darüber habe ich für Ute Freundl gebloggt. Der Lärm kommt nicht nur von außen, sondern tobt auch in unserem Kopf. Ihm ist kaum beizukommen, er nervt, er erstickt alles mit einem Lärmteppich. Da bleibt nur Galgenhumor, autogenes Training oder Qi Gong.

Alleine reisen?

Besser zu zweit oder alleine reisen? Die Frage stellte sich mir nie, denn allein unterwegs in Asien war zwar nicht immer ungefährlich, hatte aber durchaus seine Vorteile. So fühlte ich mich freier, unabhängiger und empfänglicher für die Kulturen und Menschen, denen ich begegnete.

Hanna Girard hat mich für Radio X zu meinen Reisen befragt und das Interview aufgenommen.