Flaneur in Indien – Lesung 24.10.2019

Lesung mit Samuel Herzog.

Über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr bereiste der Kolumnist Samuel Herzog das ganze Land. Oft war er zu Fuss unterwegs. Aus seinen Beobachtungen, auch fotografisch festgehalten, ist ein Buch mit wunderbar leichtfüssigen Texten entstanden, kurze Betrachtungen, überraschende Begegnungen sowie Reflexionen über Gott (bzw. die Götter) und die Welt.

Im Rahmen der Ausstellung «Indiennes. Stoff für tausend Geschichten» im Zürcher Landesmuseum liest Samuel Herzog aus seinem Buch «Indien im Augenblick» (Rotpunktverlag 2019) und spricht mit der Literaturvermittlerin Alice Grünfelder über die Passion des Reisens und das Abenteuer des Zufälligen.

Ort und Zeit: Landesmuseum Zürich, 24.10.2019, 19:00

Frieden auf den neuen Seidenstraßen?

Die Belt-and-Road-Initiative, behauptet ein Autorenkollektiv in «Im Sog der Seidenstraße», stoße «den größten friedensstiftenden Prozess des Jahrhunderts» an. Wie das?

Blick auf das Tal At-Bashi in Kyrgyzstan, wo einst die alte und heute die neue Seidenstraße hindurchführt.

Gern wird China unterstellt, mithilfe der Belt-and-Road-Initiative seinen globalen Einfluss ausbauen zu wollen. Doch auch andere Nationen wetteifern um Einfluss und Vormachtstellung. Der Glaube, die nationale und internationale Sicherheit nicht bloß mit militärischer Gewalt, sondern mit Wirtschaftswachstum zu gewährleisten, ist indes in der chinesischen Überzeugung tief verwurzelt.

Der Artikel „Frieden sieht anders aus“ , erschienen in der WOZ am 29.8.2019, ist ein Versuch, diesem höchst komplexen und ambitionierten Projekt mithilfe diverser Bücher auf den Grund zu gehen.

Skying

Nichts Schöneres, purer Luxus – den Wolken zuschauen. Und manchmal formen sich dabei Silben zu Wörter zu Zeilen. Und manchmal schreibe ich sie auf und schaue sie viele Monate später wieder an. Ein Haiku brannte sich ein, und daran dachte ich oft, wenn ich den Wolken zusah. Jetzt gibt es dieses Haiku als Postkarte.

Und nun lese ich im Buch Wörter, die es nicht auf Hochdeutsch gibt den Begriff „Wulkenschuber“: ein Nichtstuer, der die Wolken betrachtet und Wolken sammeln als Hobby angibt. (S. 102). So eine Müßigggängerin wäre ich gern öfter.

Jirgalan, ein Name wie Schmirgelpapier

Beobachtungen in Kyrgyzstan

An der Wäscheleine zwei Staubmasken, zwei Unterhemden, eine Unterhose
überm Fluss zwei Brücken aus Brettern, eine hinfälliger als die andere, und mitten im Dorf liegt ein Findling.

Die Hälfte aller Häuser steht leer, manchmal ist es auch nur die eine Hälfte eines Hauses, da sind die Fenster zugenagelt
bei der anderen Haushälfte hängen Vorhänge vor den Fenstern
ein Auto steht vor der Tür, eine Satellitenschüssel im Garten
ein Mann streicht die Hauswand hellblau.

Auf der Anhöhe ein Friedhof
viele starben jung
zwei Männer, vielleicht Vater und Sohn,
starben am selben Tag.

Manchmal kommen zwei, drei Pferde die Dorfstraße entlang
manchmal bellt ein Hund hinter einem Bretterzaun
oder in einem von Unkraut überwucherten Garten
in einem Hof picken Hühner im Staubboden
der Hahn kräht dünn, keiner dreht sich nach ihm um.

Jirgalan, der Name wie Schmirgelpapier auf Zunge.

Über der stillgelegten Kohlemine fliegen Tauben auf
Förderwagen liegen umgekippt auf gekrümmten Schienen
riesige Masten, einst Ventilatoren, kauern umgeknickt am Boden
überall Schächte, der ganze Berg ist unterhöhlt.

Versehrte Landschaft, darüber weite Weiden,
dahinter leuchten am Abend die Gipfel.

Jirgalan iegt ca. 1 Stunde nord-östlich von Karakol und gehört zu den 10 Top Destinations Kyrgyzstans, noch ist die Zahl der Touristen überschaubar. Jirgalan bietet sich als Ausgangspunkt für diverse Treks an, die Ausrüstung wie Zelt, Schlafsack etc. kann man vor Ort im Jirgalan Destination Office ausleihen. Nach der Schließung des Kohlebergwerks im Jahr 1991 zogen viele Dorfbewohner hinunter an die Ufer des Issik Kul, erzählt die Gastgeberin Bermet vom Gästehaus Baitor. Erst vor zehn Jahren stoppte die Abwanderung mit dem Bau des ersten Guesthouses, von ca. 2016 bis 2018 investierte USAid in den Ausbau der touristischen Infrastruktur. Bermet selbst ist aufgewachsen unten am See, vor 22 Jahren kam sie hierher, doch noch heute vermisst sie die frischen Früchte wie Pfirsiche, Melonen, Aprikosen. Die Tochter Nurela kümmert sich vorn am Dorfeingang um den eigenen Dorfladen – einen von dreien -, der 17-jährige Sohn Erjigit führt Touristen mit dem Pferd aus.

Himmel und Erde wie Häutungen …

… schreibt der taiwanesische Autor Yang Mu in einem Gedicht über eine Schlange, das er gleich in drei Variationen vorstellt. Das ist typisch für seine „Pinselnotizen“, ein Genre, das in China auf der Bruchlinie zwischen Literatur und Leben angesiedelt ist, wie die Herausgeberinnen und Übersetzerinnnen Susanne Hornfeck und Wang Jue im Nachwort erklären. Reise-Impressionen und philosophische Betrachtungen können das zum Beispiel sein, Beiläufiges werde zu tiefer Einsicht verdichtet, alltägliche Betrachtungen mit neuer Bedeutung aufgeladen.

Typisch scheint mir indes bei Yang Mus literarischen Pinselstrichen zu sein, dass er sich eben weigert, seine Beobachtungen in Gewissheiten zu verankern – zu unsicher scheint selbst der Boden unter den Füßen und das Schwanken der Erde vielmehr „Ursprung der Poesie“, so der Titel einer Prosaminiatur. Hier schreibt er vom Aufheulen der Erde, einer Stimme, die in Panik versetzt, bevor sie einen erreicht und erstarren lässt in einer metaphysischen Ehrfurcht, die zwischen Himmel und Erde waltet. In diesem Dazwischen ist auch der Mensch angesiedelt, und nicht alles, was vom Himmel kommt, ist gut, weiß schon der kleine Yang Mu, als sich seine Mutter über ihn wirft, um ihn vor den Angriffen der japanischen Kolonisatoren zu schützen in „Weiße Novemberblüten“. Zwischen Himmel und Erde ist der Mensch, diesem Dreiergestirn gilt auch der Kungfu-Gruß, wenn eine Faust in die Handinnenfläche gelegt wird. Warum aber die Kampfkunst eines Mannes aus dem Süden der Insel nicht mithalten kann mit der strahlenden Vitalität des Großonkels, die allerdings vom Autor nur behauptet wird, bleibt offen. Gern würde man hierzu mehr erfahren.

Doch dieses Mehr, eine Festlegung der Beobachtung und Überführung in eine allgemeine Betrachtung der Welt, wie sie klassischen chinesischen Texten eigen ist, verweigert Yang Mu, so als habe die Moderne keine solche Gewissheiten mehr zu bieten, so als sei das Schwebende, das Dissidente wie bei der einsamen Schlange, eine Konstante, der er stattdessen nachsinnt.

Das luftige Element dieser Pinselnotizen, das Puzzle voller Anspielungen ins Deutsche zu übertragen, sei ein „halsbrecherisches Unterfangen“, so die Herausgeberinnen im Nachwort. Es ist ihnen gelungen, dass ich jedenfalls gern und immer wieder eingetaucht bin in dieses literarische Fluidum.

Yang Mu: Die Spinne, das Silberfischchen und ich. Pinselnotizen. Aus dem Chinesischen von Susanne Hornfeck und Wang Jue. A1 Verlag, 2013. (nicht mehr lieferbar, gebraucht bei amazon, ebooks, ebay …)

Waldsee

Schwimmen am Sonntag

Auf den Schotterwegen, die durch den Mischwald mit seinen Tannen und Buchen führen, liegen Vogelfedern, schwarz-weiß gestreift. Regentropfen glitzern in den Blättern der Heidelbeersträucher, oder sind es die Schleimspuren der Schnecken? Der Weg führt sumpfigen Wiesen entlang, auf denen einst Sägemühlen standen und sich Müller um das spärliche Wasser stritten, säumt einen Fischweiher. Dort angelt einer, wohin die Wanderwege führen, weiß er nicht. Er sitzt auf einem Klapphocker vor seinem Auto, ein Kind pult Würmer aus einer Plastikschachtel, ein anderes steckt eine Angel zusammen. Auf den Wiesen steht hoch der Mohn. Und auf den Feldern wiegen sich die fedrigen Gerstenähren im Wind.

Stünde nicht auf einmal eine Informationstafel am Wegrand, würde man die bemoosten Ruinen im Wald übersehen. Es sind die Reste eines Schwimmbeckens, doch Beton – das erstaunt mich immer wieder – übersteht historische Epochen fast unbeschadet. Zerbröckelt sind hier und da die Wände, doch die einstige Größe ist ersichtlich, wenngleich unvorstellbar, dass hier einmal ein Freibad mit Nichtschwimmerbecken und Umkleidekabinen existiert haben soll. Die Natur hat sich alles zurückgeholt. Selbst die Haken, die aus den Beckenwänden ragen, sind voller Moos.

Als es zwölf schlägt vom Frickenhofener Kirchturm, springe ich über die Mauer, die Luft bebt von den Glockenschlägen. Vor achtzig Jahren lagen Kinder und junge Männer auf der abschüssigen Wiese, stand eine junge Frau, ein BDM-Mädel vielleicht, am Beckenrand und zögerte nur kurz, bevor sie sprang und in das kalte Wasser eintauchte. Und dafür womöglich einen bewundernden Blick erhielt, den sie nicht sah, da sie unter Wasser die Länge des Beckens durchmaß mit weit ausholenden Zügen? Derweil an den Hängen die Bauernjungen Heu einholten, auch am Sonntag. Wer ging dem Müßiggang nach, wer folgte dem Ruf, sich zu stählen, den Körper zu trainieren auf Führers Befehl? Gingen alle zum Schwimmen am Sonntag? Gab es welche, die nicht mochten – weil das Wasser zu kalt war, die jungen Männer zu laut, die Mädchen zu forsch und zuversichtlich, dass an der deutschen Jugend die Welt genesen soll?

Der Text auf der Tafel erzählt davon, dass das Bad kurze Zeit nach dem Krieg geschlossen wurde. Die Flüchtlinge hatten anderes im Sinn, als sich zu amüsieren; viele der jungen Männer, die hier das Schwimmern lernten, kamen entweder nicht zurück aus dem Krieg, für den sie abgehärtete worden waren, oder verletzt an Körper und Seele. Das Schwimmen am Sonntag war ihnen vergangen.

Auf die Spur diese Freibadruinen im Wald gebracht haben mich allgemeine Recherchen über Zeugnisse des Dritten Reiches auf der Schwäbischen Alb ­– nachdem ich dort völlig unvermutet auf ehemalige KZs gestoßen bin. Mehr Informationen zu diesem Freibad und Frickenhofen hier:

Wie aus Reisen Literatur wird

Das Spektrum der Reiseliteratur reicht von Pilgerberichten über Bildungsreisen bis hin zu Reiseimpressionen der Neuzeit. Doch je mehr Texte übers Reisen entstehen, desto schwieriger ist es, originell zu wirken. Das zweiteilige Seminar gibt einen Überblick über die Reiseliteratur der letzten Jahrhunderte und Schreibimpulse. Im zweiten Teil klären wir, wie man Reiseeindrücke gestalten kann, damit auch andere Lust haben, diese reisenden Schreibgedanken zu lesen.

Zeit:

31.05.2019, 15.30 Uhr bis 17 Uhr

21.09.2019, 10.30 Uhr bis 12 Uhr

Ort: VHS, Haus Bärengasse, Zürich

Und wie man am besten über Reisen schreibt, erzählt Stefan Schomann in seinem Interview: Vom Reisen und vom Schreiben.

„Ihr Kurs ‚Schreiben über Reisen‘ hat mich sehr inspiriert. Nochmals ganz herzlichen Dank für die wertvollen Tipps und den interessanten Tag. Mein Schreibstau hat sich mit zwischenzeitlichen Stockungen aufgelöst!“
Cornelia Schmid

Comics im Gespräch

Von Panels, Stripes und wahren Geschichten

Immer mehr Autoren und Verlage verpacken anspruchsvolle Themen in Comics und Graphic Novels, weil sie denken, Jugendliche damit einfach zu erreichen. Denn komplexe Geschichten werden nicht nur sprachlich, sondern auch graphisch erzählt. Darin liegt das Potenzial für den kreativen Umgang mit diesen Text-Bild-Büchern. Doch ganz so einfach ist es nicht, denn Graphic Novels sind beispielsweise gar nicht so leicht zu dechiffrieren.
Wir geben den KursteilnehmerInnen einen Überblick über Comics und Graphic Novels, die Jugendliche ansprechen, und zeigen anhand praktischer Übungen, wie sich Comics in Bibliotheken und im Unterricht einsetzen lassen.

Leitung: Theres Rütschi und Alice Grünfelder

Zeit und Ort: 16.9.2019, 18.15 Uhr, im SIKJM, Zürich.

Familien-Albtraum auf einer Insel

Taiwan: eine Insel mit 23 Millionen Einwohnern und einer komplexen Geschichte. Unweit der chinesischen Südküste gelegen, wurden die Inselbewohner immer wieder von benachbarten Großmächten überrannt, immer wieder suchten chinesische Exilanten hier nach Zuflucht. Bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs war die Insel eine japanische Kolonie, und als Mao in Peking die Volksrepublik ausrief, flohen anderthalb Chinesen nach Taiwan.

Von diesen Wirren und Überlagerungen unterschiedlichster Völkerschaften mit all den damit einhergehenden neben- und auch gegeneinander ausgespielten Lebensweisen erzählt die Autorin Jade Y. Chen in ihrem Familienroman Die Insel der Göttin. Es geht darin nicht nur um ihre eigene Familie, in der sich das Leid einer Japanerin genau so spiegelt wie eines taiwanischen Untergrundkämpfers, der sich für die Demokratie auf der Insel engagiert und deshalb nach Südamerika fliehen muss. Sondern auch um die zentrale Frage, die Taiwaner heute umtreibt: „Wer sind wir? Und was ist Taiwan eigentlich?“ Die Antwort ist alles andere als einfach, wenn man sich folgende Familiengenealogie vor Augen führt: „ ,Mein Urgroßvater väterlicherseits war Mongole (…). Er heiratete meine Urgroßmutter, die aus der Nähe von Shanghai stammte. Mein Großvater und mein Vater sind in Peking geboren. (…) Als junger Mann ging mein Vater nach Taiwan und lernte in Taichung meine Mutter kennen. Meine Großmutter mütterlicherseits war eine Japanerin, die meinen Großvater heiratete, dessen Vater, also mein Urgroßvater, aus Südchina stammte., „

Die Loyalitäten sind entsprechend schwankend. Der Vater der Ich-Erzählerin, ein wankelmütiger Abtrünniger, der mit den Kuomintang-Truppen des aus China geflohenen Chiang Kaishek nach Taiwan gelang, kehrt eines Tages wieder aufs Festland – womit die VR China gemeint ist – zurück, nur um dort als vermeintlich reicher Mann von seinen Verwandten über den Tisch gezogen zu werden. Der Großvater fühlt sich dem japanischen Kaiserreich verpflichtet und kämpft bei der Luftwaffe, verschwindet aber eines Tages, nachdem die Kuomintang-Partei die Macht übernommen hat. Und die japanische Großmutter verstrickt sich in eine heimliche Liebe mit dem Großonkel.

Geschickt weiß die Autorin diese Biografien miteinander zu verflechten, wodurch ein einmaliges und vielschichtiges Kaleidoskop der Inselrepublik entsteht, über die im Westen nur wenig bekannt ist. In vielerlei Perspektiven beschreibt sie eindrücklich, wie es sich heute anfühlen muss, in Taiwan mit all den individuellen Traumata zu leben. Dem Schweigen aber, das sich wie Mehltau über die Familie und auch das Land legt, und der damit einhergehenden Lieblosigkeit kann Jade Chen im Buch und auch in der Realität offenbar nur dadurch entkommen, indem sie das Land verlässt. Als hervorragende Einführung in die jüngste Geschichte Taiwans, das international aufgrund des zunehmenden Drucks der VR China zunehmend isoliert wird, sei dieser Familienroman unbedingt empfohlen.

Jade Y. Chen: Die Insel der Göttin. Münchner Frühling Verlag, 2009, 419 Seiten, ca. 42,90 sFr.

Seltsames Trauerspiel

Dieses Debüt des taiwanesischen Autors Wang Ting-Kuo ist nicht wirklich greifbar: Ein Mann wird verlassen, zerbricht fast daran – bis eines Tages ein erfolgreicher Geschäftsmann sein Café betritt. Eine Rückschau beginnt, die mäandert, auch die Figuren bleiben vermutlich bewusst vage.

Der Hintergrund der Geschichte, immer wieder kurz angerissen, verrät einiges über die jüngste Geschichte Taiwans. Beispielsweise über den Bauboom zwischen dem Jiji-Erdbebens von 1999 und des Ausbruchs von SARS im Jahr 2003, über die Stimmung in verlassenen Küstenorten, über die Verlorenheit der Menschen, die aus weniger begüterten Verhältnissen stammen wie die Hauptfigur. Eine Szene aus dessen Kindheit schwebt über der weiteren Lektüre: Der Junge ist acht Jahre alt und geht an der Hand seines Vaters zur Schule. Der darf jeden Tag ungehindert ein und aus gehen, was den Sohn mit Stolz erfüllt. Er vermutet ihn in der Schulverwaltung, bis er am Tag seiner Einschulung entdeckt, dass er „in einer weiten schwarzen Regenhose und klobigen Gummistiefeln … energisch den verdreckten Boden schrubbt.“ Der Junge schleicht davon, geht nach Hause, wo die Mutter auf dem Boden sitzt. Ihr wischt er den Speichel vom Mund, denn nach einem Unfall hat sie den Verstand.

Gegen Ende legt der Roman ein wenig an Tempo zu, und die Figuren überzeugen zunehmend – das Ganze gewinnt schlussendlich an Sinnhaftigkeit.

Wenngleich die seltsamen stilistischen Brüche, die sicherlich nicht dem Übersetzer Johannes Fiederling anzulasten sind, immer wieder irritieren, stimmen reizvolle und ungewöhnliche Bilder sowie stilistische Kapriolen nachdenklich. Wang Ting-Kuo gelingt mit seinem Roman jedenfalls ein stimmungsvolles Porträt von Taiwan – ein Sound bleibt ihm Ohr, den man nicht so schnell vergessen wird.

Wang Ting-Kuo: Der Kirschbaum meines Feindes. Deutsch von Johannes Fiederling. Arche-Verlag,