tanzen & schreiben

Der einen kommen die Schreibideen auf dem Hometrainer, beim Paddeln mit dem Kajak – zum Beispiel mir -, einem anderen unter der Dusche. Als Maike Frie mir zum alljährlichen Blogwichteln der Textinen ein Interview mit Katarina Pollner vorschlug, die Tanzen mit Schreiben kombiniert, dachte ich, ja, warum eigentlich nicht? Und war neugierig.

© Ruth Frobeen
Katarina Pollner, Foto: Ruth Frobeen

Wie passen Tanzen und Schreiben zusammen? Viele stellen sich Schreibende vermutlich im Dachkämmerlein oder am Cafétisch vor – auf jeden Fall sitzend, allein und vielleicht auch beengt. Sind das Klischees, mit denen du aufräumen kannst?

Wenn wir schreiben, schreibt immer auch unser Körper. Unsere Haltung, die übergeschlagenen Beine, der vorgestreckte Kopf, die verkrampfte Hand, wenn wir mit dem Stift schreiben – all das hat eine Wirkung auf unsere Gedanken, auf das Wie und Was wir schreiben. Der physische Akt des Schreibens und die Medien, die wir verwenden (zum Beispiel den Computer oder Stift und Papier) haben Einfluss auf den Text, der entsteht.

Sich körperlich zu bewegen, kann einen stockenden Schreibfluss in Schwung bringen, und sei es, dass wir eine Runde um den Block gehen oder uns ausschütteln.

Als Schreibtrainerin und Schreibende befasse ich mich damit, wie wir leichter Zugang zu Inspiration und Kreativität finden können. Im Zentrum steht die Frage, wie wir das überwinden können, was uns daran hindert, frei und furchtlos zu schreiben: in erster Linie unsere Zweifel und einschränkende Vorstellungen davon, wie wir schreiben sollten. Am besten gelingt das im Flow, einem Zustand, in dem wir eins sind mit dem, was wir tun, und das Gefühl für Zeit und Raum verlieren. Wer einmal Flow erfahren hat, weiß, was ich meine. Sowohl beim Tanzen als auch beim Schreiben kann sich Flow einstellen, wenn ich mich einlasse und loslasse.

Ich schreibe nicht nur beharrlich und leidenschaftlich, ich tanze auch sehr gerne. Beim Tanzen nehme ich mich intensiv wahr. Ich spüre nicht nur meinen Körper, sondern auch „mich“, was auch immer das sein mag – meinen Kern, meine Seele, mein Bewusstsein. Ich akzeptiere, wer ich jetzt in diesem Moment bin. Zur Bewegung kommt die Musik hinzu, die Emotionen weckt. Selbstwahrnehmung, Fokussierung und die Durchlässigkeit für Gefühle, Ideen, Imagination und Kreativität das bildet für mich die Brücke zwischen Tanzen und Schreiben.

Wie bist du auf die Idee gekommen, Tanzen und Schreiben zu kombinieren? Seit wann bietest du solche Kurse an?

Seit einigen Jahren bin ich Trainerin für ENERGY DANCE®. Mit dieser Methode kann ich Menschen ohne Choreografie und Schritte-Üben direkt ins Tanzen führen. Ich erkannte, dass dies eine großartige Möglichkeit ist, die Verbindung von Tanzen und Schreiben all denen zu öffnen, die wenig bis keine tänzerische Erfahrung haben. Um im Flow tanzen zu können, sich Impulsen zu öffnen, muss man in der Bewegung aufgehen. Das gelingt nur, wenn man nicht (mehr) zählt, sich nicht panisch eine Choreografie in Erinnerung ruft oder das Gefühl hat, an komplizierten Schrittfolgen zu scheitern. Bei choreografischen Methoden ist das erst der Fall, wenn man ein recht hohes Level erreicht oder sehr viel geübt hat. Auch freie Tanzimprovisation kann anspruchsvoll sein – man muss erst lernen, sich Impulsen zu öffnen. Mit ENERGY DANCE® kann ich Menschen direkt in Bewegung führen. Sie folgen einfach meinem Bewegungsfluss, ohne darüber nachzudenken oder verstehen zu müssen, was sie tun. Das Motto ist „Raus aus dem Kopf, rein in den Körper“ und das funktioniert von Anfang an.

Dies bot mir die Chance, Tanzen und Schreiben als Methode allen Menschen zu öffnen, unabhängig von Tanz- oder Schreibvorerfahrungen. Ich entwickelte ein Konzept und biete seit einiger Zeit erste Workshops an.

Gibt es bestimmte (Schreib-)Übungen, die sich für dieses Format besonders eignen?

Am naheliegendsten ist es, abwechselnd zu schreiben und zu tanzen. Die Bewegung des Körpers geht in den Fluss der Wörter über und umgekehrt. Ich arbeite oft mit Free Writing, also damit, mit oder ohne einen Impuls möglichst unzensiert und spontan zu schreiben, was kommt. Mit den entstandenen Texten kann man weiterarbeiten: einzelne Sätze und Bilder können der Kern eines neuen Textes werden. Man kann die Musik und die Bewegung auch mit unterschiedlichen Schreibanreizen kombinieren, von Bildern über zu verwendende Begriffe bis hin zu Gerüchen und Farben. Themen, Figuren und Stimmungen können vom Schreiben in den Tanz mitgenommen und dort weiterentwickelt werden. Ich habe auch schon mit Bildern, Zeichnungen oder Gruppen-Assoziationsnetzen experimentiert. Texte können im Tanz ausgetauscht und von anderen weitergeschrieben oder beantwortet werden.

Was macht die Bewegung mit den Schreibenden? Was für Rückmeldungen bekommst du? Welche (Schreib-)Prozesse stößt das an?

Die Bewegung lässt die Gedanken und Impulse fließen. Es können unerwartete Ideen aufkommen. Durch den Wechsel von Schreiben und Tanzen kommt es seltener zu Blockaden. Wir ändern unserer Haltung, geben unserem Hirn neue Aufgaben und Eindrücke, so kann die Kreativität sich entfalten. Die Text sind oft, und das ermuntere ich ausdrücklich, überraschend, bildhaft und dicht. Es sind meist Entwürfe, an denen man später weiterarbeiten kann. Ich habe aber auch schon erlebt, dass „aus dem Nichts“ fertige, runde Szenen entstanden.

Wer sind typische Teilnehmer*innen von „Tanzen und Schreiben“? Wer sollte sich noch auf den Weg machen, das für sich zu entdecken?

Bislang kamen die Teilnehmer*innen zumeist vom Schreiben. Ich habe aber auch einen Wochenendkurs unterrichtet, in dem die meisten Teilnehmer*innen erfahren in der Tanzimprovisation waren. Sie konnten sich beim Tanzen schnell von meinen Impulsen lösen und in einen eigenen Bewegungsfluss eintauchen. Das ist bei meiner Methode jederzeit möglich, sodass mehr oder weniger Tanzerfahrene auch in derselben Gruppe arbeiten können.

Tanzen und Schreiben ist daher geeignet für alle, die sich auf einen kreativen Prozess einlassen wollen, bei dem sie nicht vorher genau wissen, was entstehen wird. Bewegung, Musik und Schreiben wecken Bilder, Erinnerungen und Assoziationen. Emotionen werden angesprochen. Man kann plötzlich von Traurigkeit erfüllt sein, düstere Text können entstehen, aber auch fröhliche, alberne und skurrile. In den Workshops stellt sich schnell eine dichte Atmosphäre ein und eine starke Fokussierung auf den kreativen Fluss. Es ist gut, wenn die Teilnehmer*innen offen sind für unerwartete Ideen.

Was planst du in der Zukunft? Wo und wann könnte ich – oder können andere Interessierte – einen Kurs besuchen?

Bislang habe ich eher sporadisch Workshops gegeben – bei Netzwerktreffen oder an einer Schule für Tanz, Clownerie und Schauspiel. Ich plane, in Berlin regelmäßig offene Schnupperabende anzubieten, um die Methode bekannter zu machen und Menschen die Möglichkeit zu bieten, sie kennenzulernen und zu erfahren. Perspektivisch möchte ich mehrmals im Jahr Wochenendworkshops anbieten und suche dafür noch die passenden Orte und Kooperationspartner*innen. Ich bin offen für Einladungen.

Du schreibst selbst. Magst du uns kurz sagen, was für Texte – und nutzt du Bewegung auch für dein eigenes Schreiben?

Ich schreibe seit Langem und stetig Prosatexte. Neben Romanen und Erzählungen zählen dazu kurze und kürzeste Texte unter anderem für mein Blog „Das Bodenlosz-Archiv“. Letztes Jahr habe ich einen Band mit Märchenumschreibungen herausgebracht. Ein gemeinsamen Nenner meiner Texte könnte das Spiel mit Erwartungen und Perspektiven sein. Ich schreibe realistische Texte mit skurrilen oder surrealen Einschlüssen oder umgekehrt Märchen, die ins Realistische, Satirische oder Psychologische abschweifen. Ich bewege mich oft auf dem Grat zwischen Ernsthaftigkeit und Humor oder Realismus und Phantastik. Offensichtlich liebe ich es, auf der Grenze zwischen mehreren Welten zu wandern.

Ich nehme meine Texte mit ins Tanzen, nicht immer geplant. Meine Figuren, meine Ideen, Probleme, an denen ich festhänge – ich habe sie beim Tanzen dabei und bewege sie. Und oft löst sich dabei der Knoten und eine Eingebung stellt sich ein.