Das Lebensthema des Lyrikers Ernst S. Steffen war Ankommen – wen wundert’s, wenn einer ein halbes Leben hinter Gittern verbrachte? Im Gefängnis war er zu feinsten Beobachtungen und Regungen fähig, stets begleitet und angetrieben vom Gefühl, zwischen Stuhl und Bank gefallen sein: „Ich vermute, ich bin nur provisorisch gemeint“, schrieb er in einem Gedicht, „irgendwann […]
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Singapur: wie geht ein zweckfreies Leben?
Eine Lektürenotiz: Der Literaturlehrer Sukhin stolpert nicht nur ziemlich zweckfrei und sinnentleert durch sein Leben, sondern eines Tages über einen Haufen Karton. Als eine Gestalt auf ihn zukommt, erschrickt er. Die Obdachlose ist Jinn, seine Freundin, die vor Jahren spurlos verschwand. So beginnt dieser Roman aus Singapur und durchschreitet mit seltenem Humor gesellschaftliche Barrieren. Nachdem […]
Derborence …
… ist eine Wand, ist keine Wand, denn sie ist voller Furchen, Kanten, Löcher, bleckenden, leckenden Wasserzungen, weiter unten und auf halber Höhe Geröll, wo vor mehr als 200 Jahren der Berg herunterkam, so hat es Ramuz beschrieben in seinem Roman Derborance, es muss hier gewesen sein, als der Berg einen Gesteinswulst vor sich herschob, […]
Zuschütten
Das Gemäuer, bis auf die Grundmauern verkohlt, verrußt die Steine, Säulen, geschmolzen die Kronleuchter, Kerzenständer, Treppengeländer. Und ein Jahr danach die Trümmer in den Keller geschoben, die Küchenfliesen mit Schutt zugedeckt. Viel später dann alles wieder aufgerissen für eine Tiefgarage, doch den Behörden ging das Geld aus, das Loch also wieder zugeschüttet. Und heute jeden […]
Von Gold und Schatten
Die erste umfassende Darstellung des taiwanischen Künstlers Yao Jui-Chung Als ich das erste Mail den Innenhof des C-Lab betrat, ein angesagtes Kulturzentrum in Taipei, musste ich lachen: olivgrüne, aufblasbare Panzer standen vor einem Mann, da mokierte sich einer offensichtlich über die aufgeblasene Machtdemonstration auf dem Platz des Himmlischen Friedens am 4. Juni 1989 oder überhaupt […]
Li Bai: der verbannte Unsterbliche
Die erste Biografie dieses bedeutenden chinesischen Lyrikers liegt nun vor. Noch heute müssen Schulkinder seine auswendig lernen, werden bei Festen seine Gedichte als Trinksprüche aufgesagt; Li Bai (701-762) ist wegen der Bild- und Sinnhaftigkeit seiner Gedichte der wohl bekannteste Lyriker Chinas. Nach ihm sind Schnäpse und Weine benannt, Kneipen und Hotels tragen seinen Namen: Li […]
Taiwan – Eine Grenzüberschreitung mit Katze
Gastbeitrag von Margrit Manz Von 1989-94 hatte die Sinologin, Übersetzerin und Schriftstellerin Susanne Hornfeck eine Stelle in der Fremdsprachenabteilung der National Taiwan University angetreten. Den Anfang in Taipei beschreibt sie als harte Erfahrung. „Ich bin aus der Zeit gefallen. Überall fühle ich mich einen Kopf zu groß, bin sofort als Ausländerin erkennbar. Eine feuchte Hitze […]
CH-Frauenstreik – aus taiwanischer Sicht
Zum Frauenstreik am 14. Juni 2023 bat mich der Rotpunktverlag um ein Statement. Warum nicht einmal von außen beschreiben, was an der sogenannten Gleichberechtigung à la Suisse auffällt? Ich fragte also bei meinen taiwanischen Bekannten nach, die in der Schweiz leben. Denn die taiwanische Zivilgesellschaft ist für ihre Streitbarkeit durchaus bekannt. Die Gleichberechtigung in Taiwan, […]
Lawinengeröll
Lektürenotiz zu einem Bergroman. In Robert Prossers jüngstem Roman wird viel zugeschüttet, entgleitet, driftet ab. Die Kusine des Protagonisten Xaver und deren Freund werden von einer Lawine erfasst, sie wird gefunden, nach ihm wird noch immer gesucht. Zähes Misstrauen legt sich über das Dorf: Wer ist schuld? Aus Xavers Familie kann ja nichts Gutes kommen, […]
RIP Pema Tseden
Ein wichtiger tibetischer Filmemacher Das erste und letzte Mal traf ich Pema Tseden 2007 in Peking. Da sprachen wir über seine Erzählungen, die er auf Tibetisch schrieb und selbst ins Chinesische übersetzte – ein rundlicher junger Mann mit Nickelbrille, voller Elan und Zuversicht, die beiden Welten und Kulturen, die tibetische und chinesische, in seinen Filmen […]