Dieses Debüt des taiwanesischen Autors Wang Ting-Kuo ist nicht wirklich greifbar: Ein Mann wird verlassen, zerbricht fast daran – bis eines Tages ein erfolgreicher Geschäftsmann sein Café betritt. Eine Rückschau beginnt, die mäandert, auch die Figuren bleiben vermutlich bewusst vage.
Der Hintergrund der Geschichte, immer wieder kurz angerissen, verrät einiges über die jüngste Geschichte Taiwans. Beispielsweise über den Bauboom zwischen dem Jiji-Erdbebens von 1999 und des Ausbruchs von SARS im Jahr 2003, über die Stimmung in verlassenen Küstenorten, über die Verlorenheit der Menschen, die aus weniger begüterten Verhältnissen stammen wie die Hauptfigur. Eine Szene aus dessen Kindheit schwebt über der weiteren Lektüre: Der Junge ist acht Jahre alt und geht an der Hand seines Vaters zur Schule. Der darf jeden Tag ungehindert ein und aus gehen, was den Sohn mit Stolz erfüllt. Er vermutet ihn in der Schulverwaltung, bis er am Tag seiner Einschulung entdeckt, dass er „in einer weiten schwarzen Regenhose und klobigen Gummistiefeln … energisch den verdreckten Boden schrubbt.“ Der Junge schleicht davon, geht nach Hause, wo die Mutter auf dem Boden sitzt. Ihr wischt er den Speichel vom Mund, denn nach einem Unfall hat sie den Verstand.
Gegen Ende legt der Roman ein wenig an Tempo zu, und die Figuren überzeugen zunehmend – das Ganze gewinnt schlussendlich an Sinnhaftigkeit.
Wenngleich die seltsamen stilistischen Brüche, die sicherlich nicht dem Übersetzer Johannes Fiederling anzulasten sind, immer wieder irritieren, stimmen reizvolle und ungewöhnliche Bilder sowie stilistische Kapriolen nachdenklich. Wang Ting-Kuo gelingt mit seinem Roman jedenfalls ein stimmungsvolles Porträt von Taiwan – ein Sound bleibt ihm Ohr, den man nicht so schnell vergessen wird.
Wang Ting-Kuo: Der Kirschbaum meines Feindes. Deutsch von Johannes Fiederling. Arche-Verlag,