Himmel und Erde wie Häutungen …

… schreibt der taiwanesische Autor Yang Mu in einem Gedicht über eine Schlange, das er gleich in drei Variationen vorstellt. Das ist typisch für seine „Pinselnotizen“, ein Genre, das in China auf der Bruchlinie zwischen Literatur und Leben angesiedelt ist, wie die Herausgeberinnen und Übersetzerinnnen Susanne Hornfeck und Wang Jue im Nachwort erklären. Reise-Impressionen und philosophische Betrachtungen können das zum Beispiel sein, Beiläufiges werde zu tiefer Einsicht verdichtet, alltägliche Betrachtungen mit neuer Bedeutung aufgeladen.

Typisch scheint mir indes bei Yang Mus literarischen Pinselstrichen zu sein, dass er sich eben weigert, seine Beobachtungen in Gewissheiten zu verankern – zu unsicher scheint selbst der Boden unter den Füßen und das Schwanken der Erde vielmehr „Ursprung der Poesie“, so der Titel einer Prosaminiatur. Hier schreibt er vom Aufheulen der Erde, einer Stimme, die in Panik versetzt, bevor sie einen erreicht und erstarren lässt in einer metaphysischen Ehrfurcht, die zwischen Himmel und Erde waltet. In diesem Dazwischen ist auch der Mensch angesiedelt, und nicht alles, was vom Himmel kommt, ist gut, weiß schon der kleine Yang Mu, als sich seine Mutter über ihn wirft, um ihn vor den Angriffen der japanischen Kolonisatoren zu schützen in „Weiße Novemberblüten“. Zwischen Himmel und Erde ist der Mensch, diesem Dreiergestirn gilt auch der Kungfu-Gruß, wenn eine Faust in die Handinnenfläche gelegt wird. Warum aber die Kampfkunst eines Mannes aus dem Süden der Insel nicht mithalten kann mit der strahlenden Vitalität des Großonkels, die allerdings vom Autor nur behauptet wird, bleibt offen. Gern würde man hierzu mehr erfahren.

Doch dieses Mehr, eine Festlegung der Beobachtung und Überführung in eine allgemeine Betrachtung der Welt, wie sie klassischen chinesischen Texten eigen ist, verweigert Yang Mu, so als habe die Moderne keine solche Gewissheiten mehr zu bieten, so als sei das Schwebende, das Dissidente wie bei der einsamen Schlange, eine Konstante, der er stattdessen nachsinnt.

Das luftige Element dieser Pinselnotizen, das Puzzle voller Anspielungen ins Deutsche zu übertragen, sei ein „halsbrecherisches Unterfangen“, so die Herausgeberinnen im Nachwort. Es ist ihnen gelungen, dass ich jedenfalls gern und immer wieder eingetaucht bin in dieses literarische Fluidum.

Yang Mu: Die Spinne, das Silberfischchen und ich. Pinselnotizen. Aus dem Chinesischen von Susanne Hornfeck und Wang Jue. A1 Verlag, 2013. (nicht mehr lieferbar, gebraucht bei amazon, ebooks, ebay …)