Auf den Schotterwegen, die durch den Mischwald mit seinen Tannen und Buchen führen, liegen Vogelfedern, schwarz-weiß gestreift. Regentropfen glitzern in den Blättern der Heidelbeersträucher, oder sind es die Schleimspuren der Schnecken? Der Weg führt sumpfigen Wiesen entlang, auf denen einst Sägemühlen standen und sich Müller um das spärliche Wasser stritten, säumt einen Fischweiher. Dort angelt einer, wohin die Wanderwege führen, weiß er nicht. Er sitzt auf einem Klapphocker vor seinem Auto, ein Kind pult Würmer aus einer Plastikschachtel, ein anderes steckt eine Angel zusammen. Auf den Wiesen steht hoch der Mohn. Und auf den Feldern wiegen sich die fedrigen Gerstenähren im Wind.
Stünde nicht auf einmal eine Informationstafel am Wegrand, würde man die bemoosten Ruinen im Wald übersehen. Es sind die Reste eines Schwimmbeckens, doch Beton – das erstaunt mich immer wieder – übersteht historische Epochen fast unbeschadet. Zerbröckelt sind hier und da die Wände, doch die einstige Größe ist ersichtlich, wenngleich unvorstellbar, dass hier einmal ein Freibad mit Nichtschwimmerbecken und Umkleidekabinen existiert haben soll. Die Natur hat sich alles zurückgeholt. Selbst die Haken, die aus den Beckenwänden ragen, sind voller Moos.
Als es zwölf schlägt vom Frickenhofener Kirchturm, springe ich über die Mauer, die Luft bebt von den Glockenschlägen. Vor achtzig Jahren lagen Kinder und junge Männer auf der abschüssigen Wiese, stand eine junge Frau, ein BDM-Mädel vielleicht, am Beckenrand und zögerte nur kurz, bevor sie sprang und in das kalte Wasser eintauchte. Und dafür womöglich einen bewundernden Blick erhielt, den sie nicht sah, da sie unter Wasser die Länge des Beckens durchmaß mit weit ausholenden Zügen? Derweil an den Hängen die Bauernjungen Heu einholten, auch am Sonntag. Wer ging dem Müßiggang nach, wer folgte dem Ruf, sich zu stählen, den Körper zu trainieren auf Führers Befehl? Gingen alle zum Schwimmen am Sonntag? Gab es welche, die nicht mochten – weil das Wasser zu kalt war, die jungen Männer zu laut, die Mädchen zu forsch und zuversichtlich, dass an der deutschen Jugend die Welt genesen soll?
Der Text auf der Tafel erzählt davon, dass das Bad kurze Zeit nach dem Krieg geschlossen wurde. Die Flüchtlinge hatten anderes im Sinn, als sich zu amüsieren; viele der jungen Männer, die hier das Schwimmern lernten, kamen entweder nicht zurück aus dem Krieg, für den sie abgehärtete worden waren, oder verletzt an Körper und Seele. Das Schwimmen am Sonntag war ihnen vergangen.
Auf die Spur diese Freibadruinen im Wald gebracht haben mich allgemeine Recherchen über Zeugnisse des Dritten Reiches auf der Schwäbischen Alb – nachdem ich dort völlig unvermutet auf ehemalige KZs gestoßen bin. Mehr Informationen zu diesem Freibad und Frickenhofen hier: