Von Mohn und Farn

Mohnblüte I

Anfangs hielt ich es für die Erinnerung an ein Origami,
was da unter dem Dachvorsprung über dem Wasser hing und mir zufällig in den Blick geriet.
Doch bevor ich genauer hinsah, verwandelte es sich
in den Ton einer Zither, wie eine Feder über dem Ort des Abschieds schwebend,
die ein Vogel im Flug unabsichtlich fallen ließ.
Tief ins Herz des Sängers drang er, hingetuscht und eingesickert.
Oder es war ein Schmetterling, der sich, ins Leben zurückgekehrt,
frisch wie unerschöpfliches Blut im Wimpernschlag zur Reinheit wandelte,
zu einem das Auge blendenden Rot.

Der taiwanische Schriftsteller Yang Mu gilt als erster Dichter von Rang, der seine Herkunft und Identität, aber auch seine Zerrissenheit in seinen Gedichten anklingen lässt. Als er im März 2020 starb, veröffentlichte die Taipei Times einen Nachruf auf den Autor. Eine seiner Lebensfragen hängt seither über meinem Schreibtisch: „How to get involved without being swallowed?“

Nun kam ein Band mit seinen letzten Gedichten heraus, Lange und kurze Balladen, übersetzt von Susanne Hornfeck und Wang Jue. Ich fragte die beiden nach den frühen und späten Gedichten des Autors, der auch Essays schrieb – zu Dt. Die Spinne, das Silberfischchen und ich -, und nach den Herausforderungen, will man chinesische Lyrik übersetzen.

Veröffentlicht ist das Interview auf literaturblatt.ch.