Wird unser MUT langen?

Ziviler Ungehorsam für den Frieden.
Ein Essay von Alice Grünfelder.

»Unser Mut wird langen, nicht nur in Mutlangen« war das Motto der Friedensbewegung in Mutlangen. Jahrelang demonstrierten Friedensaktivisten und blockierten die Pershing-II-Transporte, bis schließlich 1987 Michail Gorbatschow und Ronald Reagan den INF-Abrüstungsvertrag unterzeichneten.

In diesem Essay geht Alice Grünfelder der Frage nach, warum die Bevölkerung vor Ort größtenteils zur Stationierung der Pershing II schwieg, das Dorf aber bis heute Symbol für gewaltfreien Widerstand ist. In welchem Spannungsfeld entsteht Zivilcourage, und was kann Mutlangen bedeuten als Symbol des zivilen Ungehorsams? Insbesondere heute wieder, da soziale Bewegungen sich erneut gegen vermeintlich Unausweichliches wehren. Welche Strategien wurden damals erarbeitet, welche könnten und sollten heute wieder zur Anwendung kommen?

Die Kriminalisierung der Friedensbewegung in Deutschland hat Tradition, das war auch in Schwäbisch Gmünd und Mutlangen so. Widerstand organisierte sich lokal und regional – oder eben auch jahrelang gar nicht. Denn schließlich wurden die Atomraketen Pershing I bereits seit den 1960er Jahren auf der Mutlanger Heide stationiert, ohne dass es Protest gegeben hätte. Schwäbisch Gmünd war eine Garnisonsstadt mit zwei amerikanischen Kasernen, diversen Bunkeranlagen versteckt in Wäldern und einem Militärflughafen. An die amerikanische Besatzung hatte man sich seit den 50er Jahren zu gewöhnen, zumal in weiten Bevölkerungskreisen die Amerikaner durchaus als Sieger willkommen geheißen wurden.

Im Jahr 1979 wurde der NATO-Doppelbeschluss unterzeichnet und die Stationierung der Pershing II, die zum damaligen Zeitpunkt noch nicht einmal entwickelt war, beschlossen. Und auf einmal regte sich nach der Bekanntgabe der Stationierungsorte 1981 Widerstand, deutschlandweit und in Schwäbisch Gmünd.

Mit welchen Gegenkräften musste gerechnet werden? Welche Bedrohungsszenarien wurden von Friedensaktivisten und insgeheim auch der NATO entwickelt? Welche Rückschläge gab es, nachdem die größten Demonstrationen Deutschlands gegen die Stationierung der Pershing II vergebens waren, selbst die Prominentenblockade Anfang September 1983 nichts bewirkt hatten?

Nicht nur die pensionierte Lehrerin Luise Olsen und andere Senioren setzten sich gemeinsam mit ihren Söhnen und Töchtern auf die Zufahrtsstraßen, um die mit Raketen beladenen Sattelschlepper zu blockieren. Für solcherart «verwerfliche Nötigung» wurden 3000 Menschen festgenommen, zu Geldstrafen verurteilt, andere wiederum gingen ins Gefängnis. Doch dieser zivile Ungehorsam vor Ort, von einer kleinen Gruppe aufrechterhalten, führte neben weiteren Faktoren letzten Endes u.a. dazu, dass die Raketen abgezogen wurden.

Die zentrale Frage aber, die diesem Essay zugrunde liegt, lautet: Warum engagieren sich die einen, warum schauen andere weg?

 «Alice Grünfelder wählt eine bemerkenswerte Konkretisierung, um all das in Erinnerung zu rufen, zugleich aber von den Umbrüchen zu erzählen, die zur Formierung einer starken Gegenbewegung für den Frieden in Deutschland führten. Mutlangen, ein verschlafenes baden-württembergisches Dorf, steht nicht nur im Zentrum ihres zwischen Reportage, essayistischer Betrachtung und persönlicher Erinnerung changierenden Textes. Es stand 1983 einen Sommer lang auch im Zentrum der europäischen Friedenspolitik, als dort von einer kleinen Gruppe gewaltfreie Protestmärsche und Sit-ins gegen die Stationierung von Pershing II-Raketen organisiert wurden.»

Andrea Zederbauer, Wespennest

Hier gehts zur Leseprobe, Auszüge aus einigen Kapiteln.

Stimmen:

„Warum kann ich mich nicht erinnern, wenn ich neuerdings gefragt werde, wie es damals im Friedenscamp und auf der Mutlanger Heide war?“ Grünfelder nahm die Frage zum Anlass, zurück in ihre Heimatstadt zu gehen, dort im Stadtarchiv zu stöbern und zu einem 140 Seiten umfassenden Essay auszuholen. Zu entdecken ist ein gut lesbarer Text mit Fragen zu heutigen Widerstandspraktiken.“
Peter Weishaupt, Friedenszeitung

„Alice Grünfelder kleidet nach fast 40 Jahren das Unfassbare in Worte. Es macht betroffen und weckt Verantwortungsgefühl, dass sie ihr Buch nicht mit dem weltweit bekannt gewordenen Mutlangen-Motto der Friedensbewegung betitelte „Unser Mut wird langen“, sondern auf dem Cover leider immer noch die Frage stellt: „Wird unser MUT langen?“
Heino Schütte, Rems-Zeitung

„Ihr mit vielen persönlichen Erinnerungen verwobener Text verdeutlicht die politischen Ereignisse und gesellschaftlichen Stimmungen, die damals die Friedensbewegung antrieben. Ihre Betrachtungen führen aber auch ins Heute und zur Frage, wie Zivilcourage entsteht, warum es trotz zahlreicher kriegerischer Konflikte so still um die Friedensbewegung geworden ist und dass sich mit zivilem Ungehorsam auch heute etwas bewegen ließe.“
Alblust

Wird unser MUT langen?
Alice Grünfelder
Edition Weite Felder
ISBN 978-3750-41744-1
Broschur, 140 Seiten, 12 Euro
Auch als ebook

Sie können das Buch über jede engagierte Buchhandlung bestellen, online im bod-Buchshop, bei diversen anderen online-Anbietern und Autorenwelt.

Szenen aus dem Film „Unser Mut wird langen“ (mit interessantem Archivmaterial) zeigen die Beweggründe der Demonstranten und Blockierer.