Lektürenotiz zu Anchises in Alaska. Ein Vaterbuch in Versen.
Außergewöhnlich, wie Florian Bissigs versucht, das zerfledderte Leben – das sich auch typografisch in aufgelösten Zeilen mit Leerstellen spiegelt – eines Mannes, eines Vaters, zusammenzusetzen, damit sich zumindest ein Bild nach dessen Tod ergibt, wenn schon zu Lebzeiten ein solches verweigert wurde. Denn die „Kunst abwesender Anwesenheit“ hat dieser Mensch gut beherrscht, eingeübt und perfektioniert; seltene Treffen in einem abgelegenen Haus galten als „rare Adelung“. Mit Brosamen also hingehalten, ferngehalten, denn wenn es dem Vater zu nahe wurde: „Beziehungsabbruch“.
Auch die Todessehnsucht des Mannes in jungen, die Alkoholsucht in späteren Jahren ist ein Zeichen der Negation und wiederkehrendes Bild. Um zu „versickern“ und schließlich – die letzte Option -, die Wahl des Nichts, stolz verklärt, um wenig später vor dem „Tor der Himmelspforte herumzustehen“.
Der Vater ist wohl im Leben schon verschwunden wie später auch das Grab, das der Sohn nicht mehr findet, es wurde abgeräumt. Was bleibt, ist also dieses Buch und eine letzte Szene am Heiligabend, ein Moment der Stille und Finsternis zugleich, weil die Kerzenlichter am Baum erlöschen und im letzten Aufzucken ein Netz aus Schattenmuster an Decke und Wände werfen. Die Menschen sehen diesem Spiel von Aufleuchten und Auslöschung zu, bis sie reglos schweigend ins Schwarz starren. Selten wurde so eindringlich von diesem Vorgang in Versen geschrieben (mir fiel noch das „Orangenpapier“ von Pietro de Marchi ein), vom Aufflackern, Leuchten, Verglimmen bis hin zum Verlöschen des Lebens überhaupt, um wieder von vorn beginnen zu können.
So in etwa lässt sich dieser Bogen – mit Abschweifungen in Mythologien – nachzeichnen von einem Leben, in dem einer nicht wirklich glücklich war. Das Verglühen jedenfalls bleibt und auch die Frage, ob der Tod wie auch das Leben Anfang eines Gesprächs sein könnte?
Florian Bissig: Anchise in Alaska. Ein Vaterbuch in Versen. Verlag die Brotsuppe, Biel, 2024