Tempel

Von Göttern und Glück-losen

Gefunden, was nicht gesucht im 13. Arrondissement in Paris

Zeichen, die Essen, Geruch, Geschmack bedeuten, aus China, Vietnam, Laos, Kambodscha und der Fisch, des guten Rufes wegen, aus Japan, weil der besonders gut sei – aus den Tiefen eines Gebäudes wird er per LKW im ganzen Land verteilt. Dann ein Gang durch einen Supermarkt, meterweise dieselben Waren, hundert verschiedene Suppentüten mit dem Aufdruck „Mama“, Hunderte Arten von Tofu, weiter hinauf in den ersten Stock, vorbei an Spielkneipen, Wettbüros, um im Olympia lackierte Ente zu essen.

Die Vietnamesin, die uns durch das Viertel führt, erzählt, dass die Nachkommen der französischen Café-Besitzer keine Lust gehabt hätten, rund um die Uhr zu öffnen, auch an Wochenenden, deshalb haben die Chinesen – oder waren es andere? Hintermänner gar? – die „Tabacs“ übernommen, der Kaffee war dann nicht mehr so wichtig. Und immer säßen darin Asiaten, aber auch Araber und Afrikaner kämen, um ihr Glück zu versuchen, gingen mit ihrer Sozialhilfe dorthin, um leichtes Geld zu machen auf die Schnelle, das müsse man sich einmal vorstellen, die Ärmsten der Ärmsten tragen hierher ihr Geld. 2018 gab es eine Petition gegen diese Glückscafés, weil die Casinos sich ausgerechnet hier angesiedelt haben, wo doch ein knappes Viertel von der Sozialhilfe lebt, so erzählt sie sich in eine leise, resignierte Wut.

Unter mächtigen Lüftungsrohren in der abgelegenen Ecke einer Tiefgarage ist ein Tempel eingerichtet, mehrere kleine Altäre sind direkt auf dem Betonboden aufgestellt, und pro Gast darf nur ein Räucherstäbchen angezündet werden. Praktisch sei der Ort, meint die Vietnamesin, die uns auch hierher führt, denn für den alljährlichen Neujahrsumzug könnten die LKWs gleich vor dem Tempel parken und die Figuren aufladen. Die Götter thronen unter mächtigen Belüftungsrohren und können nichts mehr ausrichten, so scheint es.

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