Eine Lektürenotiz zu Dürrenmatt and me von Wendy Law-Yone
Was verbindet eine burmesische Autorin mit dem Schweizer Dürrenmatt? Es ist das Motiv der Rache, erfahren wir nun in Dürrenmatt and me. In diesem schmalen, zweisprachigen Bändchen beschreibt die Autorin Wendy Law-Yone, wie ihr der Besuch einer alten Dame bei der Räumung des Goethe-Instituts in Rangoon, Mitte der 60er Jahre, in die Hände fiel. Und sie in Claire die ungeheuerlichste Heldin antrifft, die ihr je begegnet ist. „Ich bewundere den Stil der alten Dame, ihr Maßlosigkeit, ihren schwarzen Humor, ihre ausgelebte Böswilligkeit.“ Doch führt die Vergeltung etwa zur Erlösung, fragt sie sich selbstkritisch im Roman Irrawaddy Tango? Und weiter findet sie in der Ausgestaltung dieses Motivs eine Ähnlichkeit mit dem burmesisch-buddhistischen Prinzip von ye sek, zu Deutsch „ein Tropfen Wasser“, etwas, was unausweichlich ist, deshalb gleichsam eine Verkettung von Ursache und Wirkung. Dürrenmatt, so führt die Autorin weiter aus, habe sie viel zu verdanken, auch den zweiten Roman Road to Wanting, in dem es abermals um unaufhaltsame Entwicklungen und eine Beinah-Rückkehr geht. Eine „uneindeutige Vergangenheit“, die allerdings neue Möglichkeiten für die Zukunft eröffne, schreibt die Anglistin Marijke Denger im Nachwort.
Wendy Law-Yone, die von der Militärdiktatur schon früh aus ihrem Land vertrieben wurde, fand also Zuflucht nicht nur im Schreiben, sondern auch im Schreiben von Friedrich Dürrenmatt, eine Passage in die schriftstellerische Freiheit, so düster diese auch grundiert ist.
Wendy Law-Yone: Dürrenmatt and me. Eine Passage von Burma nach Bern. Aus dem Englischen von Johanna von Koppenfels. Mit einem Nachwort von Marijke Denger. Texte zur Friedrich Dürrenmatt Gastprofessur für Weltliteratur. Verbrecher Verlag, 2021, 172 Seiten