Suchen statt erklären

Wie soll ich davon erzählen, fragt sich Lea Schneider – Autorin und Übersetzerin chinesischer Lyrik – beim Sammeln all ihrer Gedanken, Erlebnisse, Eindrücke, beim Schreiben über China, wie kann man über China schreiben, wenn nicht suchend, wie kann ich also darüber schreiben, was und wie Lea Schneider über China schreibt?
Sie erzählt in einer Mischform aus Lyrik, Essay und Übersetzung, dennoch steht auf dem Cover ihres Buches „Gedichte“.
Sie sucht in der Literatur, jede Querverbindung zu anderen Büchern steht quer zum Satzspiegel.
Sie sammelt Eindrücke aus der südlichen und jetzigen Hauptstadt Chinas, aus Taibei, Hongkong, um nur einige Städte zu nennen. Sie sammelt als Geste des Respekts dem Land gegenüber.
Sie schreibt über die Macht der Worte, die gefürchtet wird: „Die Zensorinnen lesen schlecht, aber sie lesen (…), das ist mehr, als ich von den meisten meiner Freundinnen behaupten kann. Die Zensorinnen haben größeres Vertrauen in die Wirkmächtigkeit unserer Arbeit.“ Und an einer anderen Stelle erzählt Lea Schneider von Briefen einer Freiheitskämpferin, mit eigenem Blut geschrieben, die im Archiv der Ewigkeit landen, im Archiv des Polizeistaates, der nichts vergisst.
Sie begibt sich auf Deutungssuche in der Sprache, wenn sie z.B. über das qu wan, Spaß haben, nachdenkt, das je nach SprecherIn etwas anders heißen kann, über dessen wahre Bedeutung ich auch schon nachsann. Die Übersetzung hilft oft nicht weiter, überhaupt „spreche ich von Worten, die meine Sprache nicht spricht“. Und was, wenn einem das richtige Wort nicht einfällt? „Sie glauben gar nicht, wie oft ich schon mitten im Satz meine Weltanschauung ändern musste, nur weil mir ein Wort in der anderen Sprache gefehlt hat.“
Sie sagt, und hier zitiert sie Ole Döring, wir müssen Chinesisch lernen, denn sonst überlassen wir die Deutung dessen, was China ist, der KP China, weil die Stimmen der anderen nicht übersetzt werden.
Sie erklärt nichts weg, benennt das, was sie sieht, was sie versteht, nicht versteht. Daher ist ihr „made in China“ ein Amalgam, auf das ich mich gerne einlassen, denn es ist ehrlich. Lea Schneider geht damit zwar das Wagnis ein, nicht verstanden zu werden, doch mir sind ihre Seh- und Tastversuche allemal lieber als wohlfeile China-Betrachtungen unter der Gürtellinie der Banalität. Sie sind sympathisch in ihrer Annäherung an China, wo doch die Regierung es einem schwer macht, das Land, die Menschen und Kultur auf unerklärliche und ganz eigene Weise zu lieben.

Lea Schneider: made in china. Mit Illustrationen von Yimeng Wu. Verlagshaus Berlin, 2020, 108 Seiten