Buntblau und zerbrechlich

Kinderbücher aus Taiwan – gebe ich diesen Suchbegriff ein, taucht wenig auf, aber jüngst wieder mal eines: Das blaue Kleid von Chang Yu-jan, das im Sommer 2021 erschienen ist. Eine buntfröhliche Geschichte über Xiao Yu, die offenbar an einer Allergie leidet und deshalb nicht ebenso bunte Kleider tragen kann wie andere Kinder. Nur ein Elfe kann ihr helfen und die Großmutter, die ihr Kleid indigoblau färbt. So knapp sich die Geschichte, von Monika Li überzeugend übersetzt, zusammenfassen lässt, so tiefgründig ist sie indessen. Sie birgt die Hoffnung oder gar Überzeugung, dass die Natur zu heilen vermag und auch die Besinnung auf Traditionen, die in den letzten Jahrzehnten aufgrund diverser politischer Turbulenzen und eines enormen Wirtschaftsaufschwungs der Inselrepublik überlagert worden waren. Erfrischend sind die Illustrationen, sehr bunt zwar und manches Gesicht mit den großen Augen erinnert an Manga-Figuren, aber die Details sind einnehmend: Wie z.B. die Großmutter gezeichnet wird, mit grauem Lockenkopf, geblümter Hose, einem Amulett. So munter-modische und selbstbewusste Omas sind vermutlich eher selten in der Kinderliteratur. Auch die tropischen Wälder, die Sicht auf den Brunnen, in dem das Kleid gefärbt wird, aus der Vogelperspektive, die Einrichtung von Omas Wohnung sind liebevoll und ungewöhnlich gestaltet.

So selbstbewusst Xiao Yu, Kleine Jade ist, so vorsichtig-verhalten bewegt sich Xiao Yu, dieses Mal Kleiner Fisch, in Kleiner Spaziergang durch die Welt, fast als zerbräche sie unter ihren Schritten. Im Mittelpunkt dieser ebenfalls zweisprachigen Erzählung – von Johannes Fiederling treffsicher übertragen -, stehen, fast schon symbolisch, Eier, die fürs Abendessen noch rasch gekauft werden müssen. Doch auf dem Weg gibt es so allerlei zu entdecken: eine kleine Murmel, eine Katze … So als wäre das Große im Kleinen dem Autor Chen Chih-yuan Glück genug.

Weitere Kinderbücher aus Taiwan sind bei chinabooks erschienen, und zwar jene von Jimmy Liao, der in Taiwan mit seinen hochformatigen Bildern populär ist (seine Illustrationen sind u.a. selbst in U-Bahn-Stationen abgebildet). Seine – ebenfalls zweisprachigen Bücher – sind ein farbenprächtiges Wunder, das hierzulande noch zu entdecken ist, auch wenn sie als Kinderbücher für Erwachsene gelabelt sind.

Chang Yu-jan: Das blaue Kleid. Deutsch von Monika Li. Drachenhaus Verlag, 40 Seiten

Chen Chih-yuan: Kleiner Spaziergang. Aus dem Chinesischen von Johannes Fiederling, Baobab-Verlag, 40 Seiten

Jimmy Liao: Das Kino des Lebens, Der Blaue Stein, Der Klang der Farben, Die Sternennacht, alle übersetzt von Marc Herrmann, Chinabooks