Anthologien wird man mit Rezensionen selten gerecht, wie auch? Soll man die einzelnen Geschichten nacherzählen? Gemeinsamkeiten herauskitzeln?
Die Storys in „Ministerium für öffentliche Erregung“ von Amanda Lee Koe sträuben sich gegen jegliche Zuordnung. Skurril, widerborstig, gegen den Strich jeglicher Vorhersehbarkeit sind sie allesamt gebürstet, und jede für sich lässt ungläubiges Staunen zurück. Wegen der Gewalt in Beziehungen, die sich schon mal dadurch Bahn bricht, dass ein Frau ihrer Ex-Geliebten eine Sardinendose zweimal nacheinander auf die rechte Wange knallt und die Leute im Supermarkt lediglich stehenbleiben und zuschauen wie in „Die Ballade von Arlene & Nelly“. Dann wieder fängt die Autorin zärtliche Momente ein in der Beziehung zwischen einer todkranken Seniorin, die im Alter nichts von ihrer Aura verloren hat, und einem jungen Mädchen in „Alice, du musst der Mittelpunkt deines eigenen Universums sein“. Der Titel „Waschsalon“ hingegen führt auf eine völlig falsche Fährte, suggeriert ein urbanes Biotop, das man zu kennen meint – dabei hat ein Stadtanthropologe zu Studienzwecken bloß ein Labor eingerichtet, die Protagonisten wissen nichts davon und werden wie durch eine Lupe beobachtet.
Woher kommt der Stoff zu diesen Geschichten, die Milieus sarkastisch beleuchten, mal behutsam, mal kühl observierend geschundene Seelen skizzieren? Aus Welten, die sich wie wohl in kaum einer anderen Stadt so sehr in die Quere kommen wie in Singapur. Und jede Geschichte ist anders, hat einen anderen Sound, ist formal anders gestrickt – fast schon bang beginnt man die nächste Story, weil man nie weiß, was einen erwartet.
Amanda Lee Koe: Ministerium für öffentliche Erregung. Storys. Aus Englischen von Zoë Beck, Culturebooks, 2016, 222 Seiten