Lustvoll argumentieren wider die Kriegstreiberei

 
Umberto Eco stellte einst in vier Streitschriften ganz grundsätzliche Fragen nach Haltung, Zivilcourage und der Unsinnigkeit, einen sinnvollen Krieg führen zu wollen. Und auf manche seiner Fragen weiß er Antworten, die auch heute noch einiges erhellen können. Wie beispielsweise jene nach sogenannten humanitären Interventionen. Sosehr man die Rechte, den Wunsch nach Selbstbestimmung und die Bräuche andere Völker respektieren müsse, so seien gewisse Verstöße gegen Menschenrechte einfach untolerierbar. Gleichwohl müsse man sich überlegen, wer denn um die Intervention bitte? Und welche Eigeninteressen sich dahinter verbergen? Man muss entscheiden, «was untolerierbar ist, und dann handeln in der Bereitschaft, den Preis für einen Irrtum zu bezahlen.» Nur leider hätte man sich auf der Grundlage eines sogenannten militärischen Humanismus schon oft geirrt. Sei es deshalb nicht an der Zeit, über andere Strategien nachzudenken?

Und Krieg, den unsereins vor allem als Kalter Krieg erlebt hat, flammt gerade nach dessen Beendigung überall wieder auf, was Eco zum „Nachdenken über den Krieg“ anregt. Der Ausgang des 1. Golfkriegs, so die Meinung vieler damals, sei befriedigend gewesen, denn es seien die Ziele erreicht worden, derentwegen dieser Krieg überhaupt geführt worden war. Wenn man diesem Krieg also zugesteht, dass er vorteilhafte Ziele erreicht habe, führe das zu dem Irrglauben, „dass Krieg in manchen Fällen doch noch eine vernünftige Möglichkeit sei. Was jedoch entschieden bestritten werden muss.“

Zivilcourage bräuchte es dafür, was aber, wenn man an keinen Gott glaubt, der einem den Rücken stärkt? Mal abgesehen davon, dass auch Menschen, die das Wort „Glaube“ im Mund führen, zu grausamsten Taten fähig seien? Was befähigt Nicht-Gläubige? Eco formuliert seine weltliche Ethik so: Man sollte anderen ein gutes Beispiel sein, um eine „Flaschenpost zu hinterlassen, damit das, woran man geglaubt hat oder was man schön fand, auch von den Nachgeborenen geglaubt oder schön gefunden werden kann.“

Was aber kann man gegen rohe Intoleranz ausrichten, überlegt Eco in „Die Migration, die Toleranz und das Untolerierbare“? Dann, „ist das Denken wehrlos“, und wenn Intoleranz zur Doktrin wird, sei sie nicht mehr zu besiegen. Erwachsene Menschen, die aus ethnischen oder religiösen Gründen aufeinander schießen, zur Toleranz zu erziehen, sei Zeitverschwendung. Rohe Intoleranz müsse an der Wurzel bekämpft werden: „Durch permanente Erziehung, die im zartesten Alter beginnt, bevor sie zu einer Doktrin gerinnt und bevor sie eine zu dicke und harte Verhaltenskruste wird.“

Immerhin sehe die Welt den Krieg heute durchaus kritischer als zu Beginn des 20. Jahrhunderts, denn „wenn heute jemand von der Schönheit des Krieges als einziger Hygiene der Welt reden würde, ginge er nicht in die Geschichte der Literatur ein, sondern in die Psychiatrie.“ Früher führte man Kriege so, dass man aus der Niederlage des Gegners einen Gewinn ziehen konnte. Bei den beiden Weltkriegen aber wurden alle Völker dieser Erde in Mitleidenschaft gezogen, mit den Verflechtungen des multinationalen Kapitalismus sei ein Krieg eigentlich gar nicht mehr länger möglich. Der unaufhaltsame Informationsfluss führe zudem dazu, dass die eigene Bevölkerung den Glauben an einen gerechten Krieg verliere und stattdessen für das Leid der „feindlichen“ Bevölkerung sensibilisiert werden würde.

„Es ist heute eine intellektuelle Pflicht, die Unmöglichkeit des Krieges zu proklamieren. Auch wenn es keine alternative Lösung gibt.“ Doch es nützt nichts, Umberto Eco nachzuweinen, sondern man muss einen intellektuellen Disput wiederherstellen, der den Namen auch verdient, verlangt der italienische Autor Giorgio Fontana und fordert dazu auf, lustvoll die rhetorischen Klinken zu kreuzen wider Populisten und Argumentverächtern.

Umberto Eco: Vier moralische Schriften. dtv-Verlag, 1998