Eine Landesgartenschau zwischen Himmel und Erde
Wo einst eine vielspurige Bundesstraße toste, den man in einem dunkel-muffigen Fußgängertunnel unterquerte, brandet nun der knöcheltiefe, höhergelegte Josefsbach – weil sein schluchtartiger Charakter moniert wurde –, in die Rems, die mit Strandkörben Meeresrauschen suggeriert.
Einen Verkehrsknotenpunkt rund um den Bahnhof so umzubauen, dass er nicht mehr wiederzuerkennen ist, kann durchaus als ökonomischer sowie soziologischer Kraftakt einer mitteleuropäischen Stadt gesehen werden. Solcherart kolossale Umgestaltung kennt man sonst nur noch aus asiatischen Metropolen. Möglich war dieser Umbau, weil gleich zwei große Infrastrukturprojekte zusammenkamen: der Tunnel, an dem ein gefühltes halbes Jahrhundert gebaut wurde und der die stark befahrene B29 in den Untergrund verbannen sollte, und eben die Landesgartenschau Schwäbisch Gmünd.
Auch die Stadt, die vormals eher durch Ladensterben und vergammelte dunkle Ecken aufgefallen war, ist kaum mehr wiederzuerkennen. Die Cafés sind auch unter der Woche bis auf den letzten Platz gefüllt ebenso das Bimmelbähnchen, das fußlahme Besucher durch die Stadt führt, die man sonst in einer Viertelstunde durchschritten hat. Es brummt, die Wirtschaft boomt, könnte man meinen, nur die Löhne halten mit 4.50 Euro die Stunde nicht Schritt; auch der Leierkastenmann ist offenbar nicht zufrieden und versinkt am späten Nachmittag in wüste Selbstgespräche. Nichtsdestotrotz präsentiert sich neben Eisdielen, Pizzaschnitten, Wurst- und Salateller auch die „innovative“ Gmünder Industrie, u.a. im goldenen Würfel, der quer und schief in der Stadtlandschaft liegt.
Einzigartig. Und zwischen Himmel und Erde kann man sich einen Parkplatz aussuchen, je nachdem, ob man das Erdenreich in der Stadt oder den Himmelsgarten oben bei Wetzgau besuchen möchte.
Weleda präsentiert dort ihren Kräutergarten gleich neben ihrer Verkaufsfiliale mit Vollsortiment und 20% Rabatt, zwischen wenigen bekannten Pflanzennamen stehen auf kleinen Schildern viele unbekannte, und hier hatten sich Wortdesigner austoben dürfen.
Himmelstürmer, gestürmt vor allem von Schulklassen und Best Agers uniformiert in dreiviertellangen Hosen, Rucksack und Gesundheitstretern an den Füßen, offene Wohnzimmer, eingerichtet in ehemaligen alten UnkrautContainern, Suppenstern, Kreuztisch und Kräuterpädagogen, die nicht etwa analog zu Schulpädagogen Kräuter … nein, hier konnte man den Giersch im Salz zerstampfen, weil er aus dem Garten als lästiges und zähes Unkraut eh nicht wegzubekommen ist.
Auch bei der Lesung, die in der geradezu idyllisch gelegenen Salvatorklause hoch über der Stadt „Allerley Kurtzweyl“ zum Tagesausklang versprach, fiel auf, dass jüngere Menschen Veranstaltungen rund um die Landesgartenschau meiden und als Rentnerschow abtun. Grau- und Weißschöpfe lauschten harmlosen Geschichten über Nachbarn und den tückischen Umgang mit der Informationstechnologie.
Dreimal durfte man aufhorchen: Als sich eine Lyrikern damit abmühte, sämtliche schwierig zu merkenden und auszusprechenden botanischen Namen in eine dramaturgisch sinnvolle Reihenfolge zu bringen; als der Moderator des Abends dazu aufrief, eigene Schulgeschichten einzureichen, die im Schulmuseum gesammelt werden würden; und, wie könnte es anders sein im Zentrum der deutschen Automobilindustrie, Gedichte in Anlehnung an Jandl, Mon oder auch Gomringer, wenn man so will, per Flipchart gezeigt wurden über Lackkratzer, Auspuffe und Liebe auf der Rückbank eines Fiat 500: Im Rücksitz liegen zwei liebende / liegen sich lieb / und lieben sich lieg … Oder, um mit den Worten ebendieses Dichters, Erich Klaus, über einen Kratzer im Lack zu schließen: Leck den Kratz und kratz den Leck.
Die Landesgartenschau als Treppenwitz der Gmünder Geschichte ist, man mag es wenden wie man will, tatsächlich mehr als nur ein Lachkratzer.