Korea-Forum

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Zeitschrift über koreanische Politik, Kultur und Zeitgeschichte.

Zeitschrift über koreanische Politik, Kultur und Zeitgeschichte.

„Der Anfang einer großen Erzählung“ lautet: 50 Jahre Migration aus Südkorea. Kaum bemerkt, weil die knapp 8000 Bergarbeiter und über 11.000 Krankenschwestern für „gut integriert“ galten, also nicht weiter auffielen. Nur zu welchem Preis? Und was ist schon eine gelungene Integration? Oh Hye Min erklärt in ihrem Artikel „Helden weinen nicht“, dass KoreanerInnen aufgrund ihres hohen Bildungsniveaus und Fleißes geschätzt wurden. Einerseits. Andererseits aber verstecken sich hinter vermeintlichen Erfolgsgeschichten Konflikte, die nie richtig aufgearbeitet wurden. Um die wirtschaftliche Lage Koreas zu verbessern, wurden im Jahr 1963 KoreanerInnen nach Deutschland geschickt – ein Mythos aber, so Oh Hye Min, der sich „in die Herzen der ehemaligen Gastarbeiter“ eingebrannt hätte. immerhin retteten die Überweisungen die Familien in der Heimat vor der Hungersnot. Die eigenen Probleme wurden indes verdrängt, diejenigen der zurückgelassenen Kinder ebenso, wie die Journalistin Jeong Ok-Hee schreibt. „Eigentlich hat schon vor drei Jahren Deutschland meine Mama und meinen Papa geklaut.“ Die Kinder sollen es besser haben (auch anderswo bis heute in Thema, siehe dazu Skype, Mama!), doch als die Eltern abreisen, wurde „das Lächeln aus meinem Gesicht gestohlen, und in meinem kleinen Bauch spürte ich ein kaltes schwarzes Loch, das mein kleines Herz mit seinen Eiskrallen zerdrückte“. Den Zurückgebliebenen geht es in materieller Hinsicht zwar besser, womit sie allerdings auch den Neid der anderen wecken.

Und die Eltern? Das ursprüngliche Ziel der beruflichen Weiterbildung in Deutschland war eine Farce, erläutert Lee You Jae, denn die wenigsten koreanischen Männer waren zuvor im Bergbau tätig gewesen und die Krankenschwestern hätten bereits eine gute berufliche Ausbildung erhalten, ihr Weggang löste gar einen Krankenschwestermangel in Korea aus. Ihre deutschen Abschlüsse wurden in Südkorea hingegen nicht anerkannt. Auffallend bei der koreanischen Community waren indes der hohe Selbstorganisationgrad und ihre Politisierung. Das begann Mitte der 70er Jahre, als Krankenschwestern „wie Waren“ hätten abgeschoben werden sollen, weil die befristeten Arbeitsverträge nicht verlängert wurden. Dieses politische Engagement war selten unter ArbeitsmigrantInnen, und schließlich hatten die KoreanerInnen durch öffentlichen Protest ihr Bleiberecht erkämpft. Auch während der repressiven Phase in Südkorea war die Demokratisierungsbewegung gerade im Ausland wichtig, da diese für internationalen Druck auf das Regime sorgte.

Ergänzt wird die Geschichte der koreanischen MigrantInnen in Deutschland mit Berichten u.a. über Gehörlose in Nordkorea und über Anzeichen einer schleichenden Reform, die Rüdiger Frank auf zahlreichen Reisen akribisch sammelt: die Zahl der Stände, die Mineralwasser und Zigaretten verkauft, habe sich vervielfacht, alle 50 Meter stoße man auf Schilder für Restaurants, eine Geldkarte wurde eingeführt, Mobiltelefone seien überall zu sehen, die Zahl von Solarkollektoren und kleinen Windrädern auf dem Land sei angestiegen. Es gebe offensichtlich mehr Produkte zur Ansicht und zum Verkauf, und es gebe mehr Kunden mit Geld. Die Preise indes seien horrend, „drei Kilo Äpfel kosten so viel wie ein (offizielles) Monatsgehalt“. Und zum ersten Mal sah er „einen 16-jährigen Jungen in blauen Jeans, und wir konnten ein Gespräch führen, das nicht vorher arrangiert war“.

„Beleuchten“ möchte das Korea-Forum Politik internationale Beziehungen, aber auch Geschichte, Literatur und Kunst der koreanischen Halbinsel. Tatsächlich werden hier Befindlichkeiten und Zustände in einer Weise durchleuchtet, wie man es nirgendwo sonst lesen kann.

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