Zum Frauenstreik am 14. Juni 2023 bat mich der Rotpunktverlag um ein Statement. Warum nicht einmal von außen beschreiben, was an der sogenannten Gleichberechtigung à la Suisse auffällt? Ich fragte also bei meinen taiwanischen Bekannten nach, die in der Schweiz leben. Denn die taiwanische Zivilgesellschaft ist für ihre Streitbarkeit durchaus bekannt.
Die Gleichberechtigung in Taiwan, auch die Lohngleichzeit zwischen Mann und Frau ist in Taiwan eine Selbstverständlichkeit bzw. Taiwan belegt diesbezüglich – je nach Datenerhebung – weltweit und insbesondere in Asien die vordersten Plätze. So sagt beispielsweise Sound-Artistin Pei: „Gender equality for me is just like water or air.“ Mina Yeh schreibt, dass sie über den Frauenstreik in der Schweiz nie groß nachgedacht und erst aus den Medien erfahren habe, dass Frauen und Männer ungleiche Löhne erhielten. „Warum bezahlen Frauen hier mehr Krankenkassenprämien als Männer?“ fragt eine dritte. „Als ob wir von der Gesellschaft dafür bestraft werden, Frau zu sein?“
Für Monica Hung, Mutter und Pianistin, ist der „Frauenstreik“ absolut notwendig. „Ich war überrascht, als ich vor drei Jahren in die Schweiz zog, wie konservativ und traditionell die Gesellschaft hier ist. Zwar geben die Menschen sich betont kinderfreundlich, aber nicht so freundlich gegenüber arbeitenden Müttern. Die meisten glauben noch immer, dass eine Mutter zu Hause bleiben sollte, wenn sie nicht arbeitet, und dass sie unverantwortlich handelt, wenn sie ihre Kinder in eine Tagesstätte schickt. Muttersein ist ein 24-Stunden-Job, der das ganze Jahr über unbezahlt ist. Warum sollte eine Frau das ganze Jahr über zu Hause bleiben müssen, um sich um ihre Familie und ihre Kinder zu kümmern, wenn sie Mutter wird? Und wenn sie eine gute Arbeit findet, muss sie, wenn ihr Kind in den Kindergarten geht, zum Mittagessen zu Hause sein, weil das Kinderbetreuungssystem so rückständig ist. Selbst in Taiwan essen die Kinder seit 40 Jahren in der Schule zu Mittag. Als Frau und Mutter, die lange Zeit in Asien in Taiwan gelebt hat, war ich verblüfft, dass die Gesellschaft in diesem fortschrittlichen westeuropäischen Land immer noch in einer agrarisch strukturierten, von Männern dominierten Gesellschaft feststeckt.“