Die Suche nach B.

Berlin, 2008

Berliner Himmel

Berliner Himmel

Noch immer spürt man die Wunden, den Kahlschlag, Stahlnarben, spürt der Zeit nach. Lange, wie lange? ist es her. Wie gestern. Dort einmal entlang gegangen, untergehakt, nachts. Weil ich Spaziergänge in Städten liebe. Besonders nachts. Über weite Plätze, breite Straßen, wo auch tagsüber kaum Menschen gehen. Lachend schaute er mich an. War ihm offenbar neu, solche Vorlieben kannte er nicht. Er schlurfte über den Kiesweg, sie hinkte ein wenig. Über ihnen bleiche Ausweglosigkeit.

Ihm war bang, nicht wissend, wie sollte er es wissen, wie sie sich entscheidet, entscheiden wird. Und sie noch heute Gewissensbisse deswegen hat. Deswegen, wegen ihm, der bohrenden Vorwürfe wegen, immer zerrissen, ihn von sich stoßen, was er nie verstand.

Waren sie in diesem Café zusammengesessen? Sie stutzt, schaut an der Fassade des Hauses hoch mitten hinein in einen Himmel, der sich verschließt. Dort ein neues Gebäude, der Architekt wollte ein Brauhaus nachbauen. Misslungen, findet sie. Steht und beobachtet die Wachposten, die langsam hin und her gehen, stehen bleiben, zu ihr herüberstarren.

Sie geht weiter. Goethe, Schiller, Humboldt, schwarz sind die Skulpturen vom Wetter, der staubfeindlichen Luft. Sitzen da auf ihren steinernen Stühlen. An der Kantine vorbei. Hat er sich hier mit ihr getroffen? Sie ist sich nicht sicher. Doch dieses Gemäuer verbindet sie mit ihm. Erinnert sich, wie sie einmal die knarrenden Holzstufen des Instituts hochgestiegen ist, ihn gesucht hat.

Das war ein Straßenzug weiter. Und ihn dort nicht gefunden hat. Aber warum war sie dorthin gegangen? Warum hatte sie ihn hier gesucht? Hatte sie sich ihm entzogen und sehnte sich plötzlich nach ihm? Nach seinem Arm, seinem Körper. Sie wusste es nicht mehr. Aber hier sprach alles von ihm. Von den verzweifelten Tagen, von der alles verschlingenden Leidenschaft, vom Schmerz, den sie zufügte. Und selbst litt.

Schön war dieser Blick hier über den Damm auf der einen Seite, frisch herausgeputzte Häuser auf der anderen Die Kuppel eines Museums, dahinter der Fernsehturm.

Die Straße, in die sie soeben einbog, kommt ihr bekannt vor. Oder doch nicht. Alte Schilder hängen an Häusereingängen. Dass hier noch geprobt wird, verrät nur die Türklinke. Blank hebt sie sich ab vor dem dunkelbraunen Holz der schweren Eingangstür.

Weiter vorn ist der Gehweg abgesperrt, an einer schmalen Stelle nur für Fußgänger geöffnet, die sie erst sieht, als sie davor steht. Sie musste immer lange Umwege machen, hier über die Straße, dann auf der anderen Seite zurück, um wieder eine Straße zu überqueren. Sie hüpfte fast, er lachte und wartete, schaute zu, wie sie näherkam. Und nahm sie in die Arme.