Der Chinese lacht viel, sagt man, nur lacht er auch gerne? Und was könnte es bedeuten, wenn er lächelt? Schließlich versuchen in interkultureller Kommunikation Geschulte seit Jahrzehnten, dieses Lachen für uns zu enträtseln.
Das irritierende Lächeln der Chinesen ist berüchtigt, gefürchtet gar von jenen, die mit Chinesen Verhandlungen führen. Da wird gelächelt, was das Zeug hält, und nur in den seltensten Fällen weiß das westliche Gegenüber diese Muskeldehnung im Gesicht richtig einzuschätzen, bei der die Augenschlitze dann gleich noch ein wenig schmaler werden. Es könnte heißen: „Ich weiß jetzt auch nicht weiter, deshalb lächle ich zur Sicherheit mal ein paar Runden“, oder: „Dein Angebot ist eine Unverschämtheit, dir werd ichs noch zeigen.“ Aber auch: “Du hast mich ertappt, egal, das nächste Mal passiert mir das nicht mehr.“ Nun, es kann viel bedeuten, nur in den allerseltensten Fällen das, was es im Westen bedeuten würde: ein Zeichen des wohlwollenden, gütigen Einverständnisses. Es ist auch kein verschmitztes Lächeln, sondern möchte einfach nur ein peinlich bedrückendes Schweigen, einen Stillstand im Gespräch, einen Gesichtsverlust kaschieren; es ist eine Mimik aus der Not heraus, wenn man nicht mehr weiter weiß. Und allemal besser, als gleich mit der Faust teutonisch auf den Tisch zu hauen.
Was aber ist mit dem Lachen? Im Laufe der letzten Jahrhunderte erschienen in China diverse Witzsammlungen, besonders geistreich „Lachwald“ genannt, und kürzlich brachte auch ein deutscher Verlag eine solche heraus. Würde man die besonders schlechten Witze anstreichen, wäre das Buch über und über mit schwarzen X versehen. Unglaublich, worüber die Chinesen lachen können! Aber vielleicht lachen sie ja auch gar nicht über diese Witze, die so moralinsauer und pädagogisch daherkommen, dass man ihnen höchstens als humorige Sinnsprüche etwas abgewinnen kann. Und vielleicht gewähren sie ein wenig Einblick in den Humor eines Volkes, doch beim Blick wird es bleiben.
Ein Witz heißt auf Chinesisch „Xiaohua“, also Lachgespräch, Lachgeschichte. Offenbar fehlt den meisten eine Pointe, über die ein Westler lachen könnte. Woran nur mag das liegen?
Lachen, so die Herausgeber einer solchen Witz-Sammlung, sei gesund: man könne sich damit gleich um 10 Jahre verjüngen, heißt es, den Menschen in Einklang bringen mit seiner Umgebung – Lachen als Heilmittel also. Oder eingebettet in Streitgespräche chinesischer Gelehrter kann solch ein spröder Lacher ein rhetorisches Stilmittel sein. Lachen ist also offenbar nie zweckfrei, und möglicherweise ist das der Grund, weshalb wir solche Weisheits-Humor-Mogelpackungen sofort durchschauen, die uns dann allenfalls ein müdes Gähnen entlocken. Das Lachen bleibt auf der Strecke zwischen Hirn und Gesichtsmuskel irgendwo stecken.
So richtig von Herzen lachen kann der Chinese aber auch, nur worüber? Und worüber am liebsten? Wenn anderen ein Missgeschick passiert, kann man beobachten, wie Chinesen gern und auf der Stelle sofort lachend zueinander finden und sich schenkelklopfend vor lauter Lachen schier gar nicht mehr einkriegen.
Der Begriff „Missgeschick“ ist allerdings dehnbar, es reicht vom Ausrutschen auf der Treppe bis hin zu einer echten Panne oder gar einem üblen Streich. Einmal saß ich in einem Bus – der Motor lief, der Fahrer wollte offenbar nur noch schnell etwas erledigen – und beobachtete, wie auf dem Vorplatz des Busbahnhofs drei Jungen um einen behinderten Mann herumhüpften, den sie immer wieder versuchten, von seinem Brett herunterzustoßen, an dem vier Rollen angebracht waren und das er mit seinen Händen vorwärts bewegte; Beine hatte er keine mehr. Die Jungen gieksten und lachten, lachten am lautesten, wenn das Brett umkippte und der Mann sich wieder aufrichten musste. Schnell bildete sich ein Kreis mit Schaulustigen, die lachend um das makabre Grüppchen herumstanden, und da diese Art von Lachen in China besonders ansteckend ist, wurde der Kreis immer größer. Auch die Mitreisenden im Bus stupsten sich an und schauten dorthin, wo das Lachen und Toben in vollem Gang war, wo der Mann immer wieder umgestoßen wurde und sich mühsam wieder aufrappeln musste. Auch im Bus wurde das Lachen immer lauter, es gellte mir in den Ohren, doch hilf- und ratlos blieb ich sitzen. Der Fahrer hätte ja jeden Augenblick zurückkommen und losfahren können.
Das Lachen blieb mir jedenfalls im Hals stecken. Und gelernt habe ich nur: Wenn einem ein Missgeschick passiert, kommt ihm niemand zu Hilfe, weil dann der Spaß doch zu schnell zu Ende wäre. Doch ausgerechnet in diesem Moment fällt mir eine deutsche Redewendung ein: „Wer zuletzt lacht, lacht am besten!“