Boot am Tallala-Strand unter Palmen

Sri Lanka – Serendip: Was für ein Zufall!

Postkarten, ein Nachwort und mehr

Unlängst erfüllte ich mir einen Traum, stieg endlich einmal auf den Adam’s Peak in Sri Lanka – darüber wird noch zu berichten sein – und schrieb drei Postkarten. Um die mich im Vorfeld Gallus Frei gebeten hatte, die er auf seiner Website literaturblatt.ch veröffentlichte.

Sri Lanka beschäftigt mich schon seit Jahrzehnten, nicht erst seit meinem Buch Sri Lanka fürs Handgepäck, für das ich Texte aus unterschiedlichen Jahrhunderten, von diversen Autor:innen suchte und fand. Denn, wie es im Nachwort dieses Buches zu lesen ist:

„Serendip, wie Sri Lanka von arabischen Seefahrern genannt wurde, war für Nicolas Bouvier auch in anderer Hinsicht Serendip; ein Zufall nämlich, der den Westschweizer auf seiner ausgedehnten Asienreise ausgerechnet in Galle neun Monate lang festhielt, einer Malariaerkrankung wegen. Im Fieberwahn irrte er durch die Straßen, freundete er sich aus schierer Not und Einsamkeit mit Insekten an. Doch erst im Jahr 1974, abermals wie im Rausch, schreibt er in nur einer Nacht den Aufguss aller ceylonesischen Phantasmen nieder und schafft damit den Durchbruch als international geachteter Autor. Auch Hermann Hesse brauchte fast zwanzig Jahre, damit seine Reise nach Ceylon und Indien in Siddharta Früchte trug, so der Autor selbst. Zuvor aber geht er in seinen ersten Berichten Aus Indien mit dem britischen Kolonialismus auf eine fein-spöttische Art ins Gericht, lässt selbst an den Einheimischen kein gutes Haar, schüttet in jeden Riss der für die Fremdenindustrie glatt polierten Oberfläche beißenden Spott, und nicht einmal für den Buddhismus findet er ein gütiges Wort. Einzig der Aufstieg auf den höchsten Berg Ceylons versöhnt Hesse, dort fühlt sich an die Heimat erinnert und er spürt, wie sehr das eigene Wesen in raueren Klimazonen verwurzelt ist und sich doch immer nach dem warmen Süden verzehrt. Taumeln die Menschen bei Hesse noch im Rausch der Trommeln und Räucherstäbchen, so findet Helmut Uhlig durchaus ein religiöses Gestimmtsein in der alten Hauptstadt Polonnaruwa. Der wilde Wirbel von Tänzern mit brennenden Fackeln und der Besuch bei den Weddas, den Waldmenschen, können als wichtiges Dokument einer längst vergangenen Kultur gelesen werden. Davon zeugen auch die Volkserzählungen vom treulosen Freund und einer treulosen Gattin, doch mit feinem Humor und weiser Nachsicht werden diese allzu menschlichen Fehler klug verhandelt. Klugheit allein reicht indes nicht, wenn Naturgewalten sich Bahn brechen wie in „Lansina Nonas Kampf mit dem Fluss“. Dennoch muss das Wasser als lebensspendendes Element geachtet werden. Im ganzen Land wurden seit Urzeiten riesige Reservoirs und Bewässerungskanäle angelegt, damit nur ja kein Regentropfen ungenutzt ins Meer gespült wird. Und so malt Otto Vollnhals mit Wörtern das komplexe Bewässerungssystem wie kein anderer vor ihm.

Seit je hat Sri Lankas Tierwelt Naturforscher zu begeistern vermocht. Selbst wer bislang noch keinen Zoologen in sich entdeckt hat, lässt sich beeindrucken von Rolf Lachners Beschreibungen der Vogelwelt, Flughundekolonien und beeindruckenden Unterwasserwelt. Dienten solcherart naturwissenschaftliche Berichte dem Ansehen der Forscher im eigenen Land, so stillten Abenteuergeschichten aus exotischen Ländern schon früh das beständige Fernweh. Kein Wunder, dass der ungeheuerliche Fußmarsch von Jacob Haafner das Lesepublikum schon damals in Verzückung versetzte.

Und dann kam einer, der diese Welt endlich für die Daheimgebliebenen nach Europa brachte: John Hagenbeck. Und er kauft ein: Elefanten, Leoparden, Schlangen. Einen Teufelstänzer hätte er auch noch gern, wenngleich es viel diplomatisches Geschick – oder doch eben Bargeld – brauche, diese Leute nach Europa zu locken. Und immer wieder Elefanten: Der eine kauft sie ein, während sich andere einen Spaß daraus machen, die Dickhäuter zu jagen. Ohnehin sei nur ein Mensch mit mannhaftem Herzen überhaupt in der Lage, so ein Tier zu erlegen, verspottet Michelle de Kretser feinsinnig ihren Helden, der sich im Leben als wahrer Hasenfuß erweist und sich mit zahlreichen hehren Worten um Kopf und Kragen redet. Singhalesen haben eben das schönste Alphabet der Welt, so Michael Ondaatje. Und wer die Zunge einer Echse esse, der werde garantiert ein Meister der Redekunst.

So faszinierend Sri Lanka auch ist, so unerklärlich bleibt es, wie es zu diesem Hass zwischen Tamilen und Singhalesen, aber auch zwischen rivalisierenden Tamilen-Gruppen kommen konnte. Mit Michael Ondaatje und Ranjith Henayaka werfen wir einen Blick hinter die exotische Tropenkulisse. Selbst Tamilen schießen aufeinander, davon gerät das Weltbild ins Wanken, die tamilische Befreiungsfront zeigt Risse.

Ums Töten, aber auch um die Liebe und ungestüme Lebenslust geht es selbst in der Küche, oder vielmehr beim Einkaufen auf einem Fischmarkt, wohin uns Romesh Gunesekera entführt. Mit roher Gewalt wird auf einen Riffhai eingeschlagen, bis das Blut spritzt, doch eingekauft wird trotzdem, um einen Leckerbissen zuzubereiten: Kulinarische Dekadenz am Vorabend zur Ausrufung der Republik, als aus Ceylon Sri Lanka wurde? Düstere Ahnungen liegen in der Luft, selbst ein Delfin ist vor dem Morden nicht geschützt, was kommt als Nächstes dran, fragt Nili, die Geliebte des Masters?

Vielleicht hilft doch nur wieder ein Pilgergang, dieses Mal auf den Adam‘s Peak, der von Gläubigen aller vier Religionen verehrt wird, den Buddhisten, Hindus, Moslem und Christen. Christoph Ransmayr berichtet von einem Ehepaar, das als Dank für die Rettung vor dem Tsunami auf den Gipfel pilgert, als Dank auch dafür, vom Bürgerkrieg verschont worden zu sein. Buddha hatte einen Fußabdruck hinterlassen, Shiva getanzt, der Apostel Thomas habe gedankt, dass ihm sein Gott diesen Blick in das Tal gewährte. Und schließlich ist es dieser Berg, der die unterschiedlichsten Menschen zusammenführt, und es ist diese Erzählung „Wallfahrer“, die das Schicksal Sri Lankas in sich vereint.“

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